Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
Verhaltensstörung mit fehlender Selbststeuerung«. Außerdem hatte er ein Suchtproblem. P. bezeichnete sich selbst als Alkoholiker, später, während seiner Zeit bei den Angels, kamen eine schwere Medikamenten- und Kokainabhängigkeit hinzu.
Er wurde Rocker, fand aber nach eigenen Angaben beim Gremium MC nicht die kameradschaftliche Familie, die er sich erhofft hatte, und verließ den Club wieder. Andere Quellen berichten davon, dass er rausgeschmissen wurde. P. bewarb sich beim Hells Angels Charter West Side um Aufnahme. Die wurde ihm gewährt, er musste jedoch wieder auf der untersten Stufe der Rockerhierarchie beginnen, als Hangaround. Was nun kommen sollte, war eine gute Gelegenheit, sich zu bewähren, vielleicht aufzusteigen.
Das Rachekommando der Hells Angels setzte sich am Nachmittag des 22. März 2006 mit zwei Kleinbussen, einem weißen Mercedes-Lieferwagen und einem schwarzen Mercedes Vito, in Bewegung. Die nötige Ausstattung – 15 Sturmhauben und Axtstiele, die zu Schlagstöcken umfunktioniert worden waren, sowie Funksprechgeräte für eine abgeschottete Kommunikation – lag wie besprochen am Sammelpunkt bereit. Sämtliche Handys waren ausgeschaltet worden, um keine verräterischen Einwahldaten zu verursachen, und blieben auf Befehl in Delmenhorst zurück.
In unmittelbarer Nachbarschaft des Clubhauses der Bandidos im Gewerbegebiet Stuhr-Brinkum bei Bremen bezog die Gruppe in einer Autowerkstatt Stellung. Nach späterer Aussage von Thomas P. hatte der Sergeant at Arms der Bremer Hells Angels, Marcel S., den Werkstattbesitzer seit geraumer Zeit massiv eingeschüchtert, sodass dieser seinen Firmensitz für die kriminelle Aktion zur Verfügung stellte. Sämtliche Angestellten waren eigens früher in den Feierabend geschickt worden. Der Sergeant at Arms war auch persönlich vor Ort und forderte die ihm unterstellten Männer auf, »ordentlich hinzulangen«. Dass ein so hoher Offizier eine solche Bestrafungsaktion persönlich leitete, war äußerst ungewöhnlich für die Höllenengel. Normalerweise bedienten sie sich für so etwas ihres unerschöpflichen Reservoirs an Supportern, Hangarounds und Prospects, um altgedienten Mitgliedern eine Gefängnisstrafe auf jeden Fall zu ersparen.
Ist die Teilnahme eines der ranghöchsten Angels-Offiziere Norddeutschlands nicht ein weiteres klares Indiz dafür, dass die ganze Aktion einer zentralen Steuerung unterlag?
Die Gruppe legt die Sturmhauben an und wartet. Wo bleiben ihre erbitterten Rivalen?
Da meldet ein außerhalb postierter Beobachtungsposten den ersten Taco. Die Bandidos trudeln nichts ahnend einzeln in ihrem Clubhaus ein. Sechs bis acht Hells Angels überrumpeln den ersten Ankömmling und schlagen ihn mit ihren Axtstielen zu Boden. Dann wird er schnell in die Werkstatt gezogen und dort mit Kabelbindern an Armen und Beinen gefesselt. Mund und Augen werden mit Panzertapeband verklebt und dann entlädt sich beispiellose Gewalt auf das Opfer. Die Höllenengel schlagen mit Axtstielen wild auf den gefesselten Bandido ein und misshandeln ihn zusätzlich durch Tritte und Schläge auf Kopf, Rumpf, Arme und Beine. So werden sie es mit allen machen; einige der so bearbeiteten Bandidos erleiden erhebliche Kopfverletzungen. Dann erfolgt aus der Gruppe der Befehl: »Brecht ihm die Beine! Los, brecht ihm seine Scheißbeine!« Auch dieser Befehl wird ausgeführt.
Fünf weitere Bandidos kommen nacheinander an und die vermummten Racheengel wiederholen zuverlässig wie ein Uhrwerk ihre Vorgehensweise. Insgesamt sechs Mal brechen an diesem Tag wehrlose Knochen, platzen Wunden auf.
Der Zweite, dem dieses Martyrium widerfährt, ist Heino B., ehemaliger Angels-Anwärter und jetziger Präsident des Feindes. Als sie mit ihm fertig sind, schmeißen sie den Geknebelten wie einen alten Müllsack auf den ersten, ebenso schwer verletzten Bandido.
Während der weiteren Folterungen reden die Angels gemäß ihren Anweisungen so gut wie gar nicht miteinander, sondern konzentrieren sich ganz darauf, ihre Opfer völlig fertigzumachen.
Dann lassen die Schläger die gefesselten, geknebelten und immer noch mit Panzertape geblendeten sowie zum Teil schwerstverletzten Bandidos hilflos zurück. Bevor das Vergeltungskommando seine Rivalen sich selbst überlässt, nehmen die 15 Männer ihnen noch alles ab, was den Schriftzug der Bandidos oder den Fat Mexican trägt: T-Shirts, Club-Aufnäher, Gürtel. Einen der Bandidos führen die Hells Angels dann mit dem Messer am Hals ins Clubhaus und
Weitere Kostenlose Bücher