Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
aber – zum Teil sogar gemeinsam – Bordelle.
Immer wieder blickten die Angeklagten hasserfüllt in Richtung des Kronzeugen der Anklage, Thomas P. Wenn Blicke töten könnten ...
Die Hells Angels verweigerten wie immer jegliche Aussage. Auch die misshandelten Bandidos hielten sich nach wie vor an das Gesetz des Schweigens.
Der Kronzeuge bestätigte seine ursprüngliche Aussage und belastete seine ehemaligen Brüder schwer. Er weigerte sich jedoch, seine Anschuldigungen vor Gericht ein weiteres Mal explizit und von Angesicht zu Angesicht vor den angeklagten Hells Angels zu wiederholen. Er verwies auf eine bereits vor einem Richter getätigte Aussage, die in den aktuellen Prozess eingeführt werden konnte.
Doch der Umstand des schweigenden Kronzeugen führte am nächsten Tag zu einer spektakulären Prozesswendung. Das für drei Monate angesetzte Mammutverfahren endete bereits am zweiten Tag mit einem Deal zwischen Richter, Staatsanwaltschaft, Verteidigern und Angeklagten. Die Hells Angels bekannten sich mit knappen Worten der gefährlichen Körperverletzung schuldig und das Gericht erhielt im Gegenzug den gravierendsten Vorwurf des schweren Raubes nicht mehr aufrecht. Eine Verurteilung nach dem entsprechenden § 250 StGB hätte im vorliegenden Fall eine Mindeststrafe nicht unter fünf Jahren Haft bedeutet. Richter Jürgen S. erklärte jedoch unter zustimmendem Getöse der anwesenden Höllenengel, dass keine Bereicherungsabsicht bestanden habe, als die Angels den Bandidos ihre Kutten und Abzeichen wegnahmen. Schließlich beabsichtige, so S., kein Angel, demnächst mit einem Abzeichen der Bandidos auf seiner Kutte durch die Weltgeschichte zu rollen. Auf den von Oberstaatsanwalt Hansjürgen S. zu Anfang der Verhandlung eingebrachten Vorwurf, die Hells Angels beabsichtigten mit dem Überfall auf die Bandidos, im Bremer Raum Konkurrenz auszuschalten, ging der Vorsitzende Richter nicht mehr ein.
Unter Berücksichtigung der sechs Monate währenden Untersuchungshaft wegen Verdunklungsgefahr sprach das Landgericht Hannover folgende Urteile: Der 37-jährige Rädelsführer der brutalen Attacke, der Sergeant at Arms Marcel S. erhielt zwei Jahre und zehn Monate Haft. Aufgrund diverser Vorstrafen und eines Verstoßes gegen Bewährungsauflagen wegen räuberischer Erpressung erhielt ein Hells Angel zwei Jahre und acht Monate Haft und ein weiterer wurde für zwei Jahre und sechs Monate ins Gefängnis geschickt. Die verbleibenden elf Biker, die zum Prozessauftakt noch unter schwersten Sicherheitsvorkehrungen vorgeführt worden waren, erhielten lediglich Bewährungsstrafen und konnten das Gerichtsgebäude sofort nach der Urteilsverkündung als freie Männer verlassen.
Thomas P. und seine Freundin leben heute im Zeugenschutzprogramm des LKA. Er behauptet, die Hells Angels hätten ein Kopfgeld von 500 000 Euro auf ihn ausgesetzt.
Anzumerken bleibt, dass der Vorsitzende Richter Jürgen S. die Tragweite dieses Verfahrens im Dezember 2008 nicht erkannt hat oder erkennen wollte. Nach beinahe zehn Jahren Gewalt im Umfeld der Bremer Hells Angels mit mehreren lebensgefährlich Verletzten und einem brutalen Territorialkrieg verglich er den heimtückischen Überfall und die schweren Misshandlungen mit einer »Schützenfestschlägerei«. Der »Rockerkrieg« werde »zu heiß gekocht« und der Konflikt der Hells Angels und der Bandidos gleiche dem zwischen »Cowboy und Indianer«. Sogar ein Angel hätte das nicht besser formulieren können.
Ein offensichtlich überforderter Jurist unterlässt es in dem einzigen Verfahren, das überhaupt in den letzten Jahren zustande gekommen ist, klare Worte und ein abschreckendes Urteil zu sprechen. Dabei bekam er alle Zutaten auf dem Silbertablett serviert. Vergleicht man zum Beispiel spätere Rechtspositionen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in einem ähnlich gelagerten Fall (eine Auseinandersetzung der Hells Angels mit der Türstehervereinigung United Tribuns, siehe Kapitel 10) mit der Prozessführung von Jürgen S., werden die juristischen Versäumnisse erschreckend deutlich.
Der VGH wertete die Teilnahme eines ranghohen Funktionärs als definitiven Beweis für die gewaltsame Durchsetzung territorialer Gebietsansprüche und die Tat damit im Gesamten als Vereinsaktivität. Auch das szenetypische Verhalten des Hells Angels MC rund um Tat und Täter wertete der VGH gegen den Verein, denn weder gab es eine Distanzierung, noch wurden gar Täter aus dem Verein ausgeschlossen. Im Gegenteil,
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