Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
Schritt mit normalem Menschenverstand schwer nachvollziehen. Der von den Hells Angels Verstoßene kontaktierte den Bandidos MC und tat seine Absicht kund, das Bandidos-Chapter in Bremen neu zu beleben. Die ersten Gespräche fanden telefonisch statt, wobei klar wurde, dass Thomas P. und den Bandidos MC eine gewalttätige Vergangenheit verband. Thomas P. bestätigte, dass er an dem brutalen Überfall auf die Bremer Bandidos teilgenommen hatte, und gab eine weitere gewalttätige Attacke gegen Heino B. zu. Die Bandidos teilten ihm mit, dass sie diesen Umstand erst mit der nationalen Führung besprechen müssten. In weiteren Handygesprächen und SMS wurde die Angelegenheit relativ offen unter den Bandidos diskutiert.
Was keiner der redseligen Biker ahnte: Gegen Osnabrücker Bandidos lief ein polizeiliches Ermittlungsverfahren wegen »Vorbereitung eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens gem. § 310, Abs. 1 StGB«. Jedes Telefonat und jede SMS landete in Abhörprotokollen der Polizei, und aus heiterem Himmel verfügten die Bremer Kollegen plötzlich über eine heiße Spur in dem schon zu den Akten gelegten Gewaltverbrechen.
Um 14.42 Uhr am 15. April 2008 bremsten Beamte des mobilen Einsatzkommandos den Ford Scorpio von Thomas P. aus, zertrümmerten die Seitenscheibe seiner Fahrertür mit einem Hammer und zerrten ihn mit vorgehaltener Pistole aus dem Auto. Festnahme!
Die Vernehmungen führte ein erfahrener Beamter des Landeskriminalamtes Niedersachsen, Abteilung Organisierte Kriminalität. Er brach den Widerstandswillen des Ex-Angels, indem er ihm mit einer mindestens fünf Jahre währenden Haftstrafe drohte, die P. durch Kooperation mit der Justiz gegen die Aufnahme ins Zeugenschutzprogramm und ein neues Leben eintauschen konnte. Zuckerbrot und Peitsche lieferten wieder einmal das gewünschte Resultat eines polizeilichen Verhöres. Ob allein die abgehörten Gesprächsmitschnitte vor Gericht für eine rechtskräftige Verurteilung ausgereicht hätten, ist mehr als zweifelhaft, aber das spielt nun keine Rolle mehr.
Thomas P. stellte sich als Kronzeuge gegen die Bremer Hells Angels zur Verfügung und offenbarte den Beamten die Planungen und den eigentlichen Tatablauf und benannte die weiteren 14 an der Tat beteiligten Hells Angels.
Nach dieser Aussage, zwei Jahre nach dem Überfall auf die Bandidos, endete für acht Mitglieder des Hells Angels Charters West Side die Rückfahrt vom Euro Run in einer Arrestzelle. Das Hannoveraner Charter von Frank Hanebuth hatte das diesjährige europäische Clubtreffen mit über 2000 Hells Angels aus ganz Europa und allen Teilen der Welt am Steinhuder Meer ausgerichtet. Kronzeuge Thomas P. beschuldigte die Festgenommenen, Teil der maskierten Gruppe gewesen zu sein, die den Überfall auf die Bremer Bandidos begangen hatte. In einer koordinierten Aktion der Landeskriminalämter Niedersachsen und Bremen erfolgte die Festsetzung der Männer durch mehrere Spezialeinsatzkommandos der Polizei auf der A 27 in der Nähe von Walsrode. Nach längerer Observation leiteten Polizisten die Hells Angels von der Autobahn auf einen abgesperrten Parkplatz um und ließen sie dort durch schwer bewaffnete Spezialeinheiten festnehmen.
Gleichzeitig durchsuchten Einsatzkräfte der Abteilung Organisierte Kriminalität fünf Privatwohnungen und einen Geschäftsraum der Rocker in Bremen. Die Polizei stellte dabei Betäubungsmittel, Hieb- und Stichwaffen sowie mehrere Schusswaffen sicher, die zum Teil einem Einbruch in einem Waffengeschäft in Ostwestfalen zugeordnet werden konnten. Am Abend folgte die Festnahme noch eines Hells Angels.
Aus Sicherheits- und Platzgründen wurde die im Dezember 2008 folgende Gerichtsverhandlung zum Landgericht Hannover ausgelagert. Die 14 Beschuldigten wurden bestens von 17 Rechtsanwälten vertreten. Die brauchten sie auch, sieht das Gesetz für ein derartiges Verbrechen doch eine Höchststrafe von 15 Jahren vor.
Die Beschuldigten im Alter zwischen 32 und 47 Jahren, durchweg kräftige, stämmige Männer, saßen mit Hals-Tätowierungen, langen Bärten und kahl geschorenen Schädeln oder langen Pferdeschwänzen auf der Anklagebank. Den höchsten Sicherheitsvorkehrungen entsprechend wurden die Rocker in Hand- und Fußfesseln vorgeführt. Die in neun unterschiedlichen Gefängnissen Niedersachsens Inhaftierten gaben folgende Beschäftigungen zu Protokoll: Lagerist, Schlosser, Auslieferungsfahrer oder Arbeitslosigkeit. Nach Informationen einer Journalistin betrieben die meisten
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