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Wie die Iren die Zivilisation retteten

Wie die Iren die Zivilisation retteten

Titel: Wie die Iren die Zivilisation retteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Cahill
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Stadt
    Rom –, als sie nämlich, wie die germanischen Barbaren es lange nach ihnen auch taten, den Rhein überquerten. Ein Zweig des keltischen Stammbaums schlug im heutigen Frankreich Wurzeln und brachte die
    Gallier hervor, die ein Jahrhundert v. Chr. von Julius Caesar erobert werden und, bereits romanisiert, den saftlosen Ausonius hervorbringen sollten. Angehörige eines verwandten Stammes besetzten die
    iberische Halbinsel und wurden zu großen Seekaufleuten; Spuren von Gebäuden dieser iberischen Kelten sind möglicherweise sogar in New Hampshire gefunden worden – was die Kelten zu den ersten Europä-
    ern machen würde, die Amerika erreichten. Im dritten Jahrhundert v.
    Chr. fielen die Kelten in die griechische Welt ein, marschierten südlich bis Delphi und ließen sich in der heutigen Türkei nieder, wo sie als die Galater (man beachte die ähnlichen Konsonantenfolgen in den
    Wörtern »Kelte«, Gallier« und »Galater«) zu Empfängern eines der
    Paulusbriefe wurden. Ableger der gallischen Kelten zogen um 400 v.
    Chr. nach Britannien und wurden Briten. Sie sollten neun Jahrhunderte später, zur Zeit von Augustinus und Patricius, von den Angeln und Sachsen langsam nach Cornwall und Wales abgedrängt werden, wo
    sie zu Walisern wurden. Von diesen britischen Kelten stammt die
    Legende von König Artus und den Rittern der Tafelrunde. Man hört
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    den Nachhall ihrer Sprache noch im modernen Walisisch und Breto-
    nisch, die zur selben Sprachfamilie gehören wie das Gälische.
    Um 350 v. Chr., ungefähr fünfzig Jahre nachdem die Ein- wande-
    rung der keltischen Stämme nach Britannien begonnen hatte, erreichten sie Irland. Einige kamen sicherlich über Britannien, doch es ist sehr wahrscheinlich, daß diejenigen, die schließlich die Vorherrschaft gewannen, iberische Kelten waren, deren Sprache sich von der der
    britischen Eindringlinge unterschied. Aus ihnen gingen schließlich die Iren hervor; und die Sprache, die sie sprachen, gehört nicht zum
    brythonischen Zweig des Walisischen und Bretonischen, sondern zu
    einem keltischen, der von Forschern Goidelisch genannt wird – und dessen heutiger Nachkomme die letzte lebendige gälische Sprache ist: das irische und schottische Gälisch.
    Irland ist der einzige keltische Nationalstaat der Welt; alle anderen Kelten wurden von größeren politischen Gebilden absorbiert. Im
    irischen Ursprungsmythos erreichen die Söhne von Mil, dank ihrer
    Abstammung von Noah, als Überlebende der Sintflut Irland von
    Spanien aus und erobern das Land von einem Stamm namens Tuatha
    De Danaan, dem Volk der Göttin Danu. Die Verbindung mit Noah
    kann nur das Ergebnis späterer mönchischer Mogelei am Originalma-
    terial sein -irgendwie mußten die Iren mit der biblischen Geschichte verbunden werden. Aber an der iberischen Verbindung zu zweifeln
    gibt es keinen Grund. Wir haben auch Beweise dafür, daß die Tuatha De Danaan historisch real sind: Wir wissen, daß Irland bereits vor der Ankunft der Kelten im vierten Jahrhundert v. Chr. bevölkert war und daß ein früheres Volk die großen, herrlich gemeißelten Hügelgräber errichtet hat, die bis zum heutigen Tag die irische Landschaft prägen.
    Im Gründungsmythos gelten die Tuatha De Danaan als übernatürlich
    geschickt in Architektur und Handwerk. Diese größeren, »anderweltlichen« Wesen verwandeln sich schließlich in das »Kleine Volk«, die Feen und Kobolde der späteren irischen Legenden, deren Geister
    immer noch um die Gräber und Feenhügel spuken, die sie einst
    errichteten. Das »Kleine Volk« ist ein Euphemismus – ähnlich wie der prähistorische Aus- druck le bon dieu –, der die Angst des Sprechers vor etwas Unbekanntem, viel Größerem verschleiern soll. Es ist mög-73
    lich, daß dieses flimmernde Phänomen des Kleinen Volkes einen
    Abglanz des Schuldbewußtseins der Iren darstellt, die handwerklich begabteren Ureinwohner ausgerottet zu haben. Schon in diesem
    frühen Stadium ihrer Entwicklung waren die Iren von der Macht des Wortes fasziniert. Jede irische Adelsfamilie hielt sich am Ort eine Familie von Dichtern. Die Söhne Mils wurden von ihrem Dichter
    Amhairghin begleitet. Als er aus dem Boot stieg, das ihn an das irische Ufer gebracht hatte, rief er aus:

    Ich bin eine Mündung in die See.
    Ich bin eine Welle des Meeres.
    Ich bin der Klang der See.
    Ich bin ein mächtiger Ochse.
    Ich bin ein Falke auf der Klippe.
    Ich bin ein Tautropfen in der Sonne.
    Ich bin eine Pflanze voller Schönheit.
    Ich bin ein

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