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Wie die Iren die Zivilisation retteten

Wie die Iren die Zivilisation retteten

Titel: Wie die Iren die Zivilisation retteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Cahill
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Sehnen von den Schläfen bis zum Hals herunter, und jeder Knoten
    war so kräftig, so enorm und maßlos groß wie der Kopf eines einen Monat alten Kindes. Sein Gesicht, seine Züge wurden zu einer roten Kugel: Ein Auge saugte er so tief in seinen Kopf, daß eine wilde Krähe es mit ihrem Schnabel nicht aus der Tiefe seines Schädels
    hätte herauspicken können. Das andere Auge fiel bis auf die Wange heraus. Sein Mund war wild verzerrt: Die Wangen zogen sich von
    den Kiefern zurück, bis der Schlund zu sehen war; Lunge und Le-
    ber flatterten ihm in Mund und Hals; sein unterer Kiefer versetzte dem oberen einen Schlag, der einen Löwen getötet hätte; und feurige Schaumflocken so groß wie Schaffelle stiegen ihm aus der Kehle in den Mund. Der Herzschlag in seiner Brust war laut wie das Bellen eines Wachhundes vor der Fütterung oder die Laute eines Lö-
    wen unter Bären. Roter Nebel und Feuerqualm – die Fackeln von
    Badb – flackerten rot in den Dampfschwaden, die kochend über
    seinem Kopf aufstiegen, so groß war seine Wut. Die Haare auf sei-
    nem Kopf zwirbelten sich wie das Geäst eines roten Dornbusches,
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    der in einer Spalte steckt. Wäre ein königlicher Apfelbaum mit all seinen königlichen Früchten über ihm geschüttelt worden, hätte
    kaum ein Apfel den Boden erreicht, sie wären von den Spitzen sei-
    nes Haares aufgespießt worden, so wütend stand es ihm zu Berge.
    Der Heiligenschein des Helden stieg von seiner Augenbraue auf, so lang und breit wie der Wetzstein eines Kriegers, lang wie ein Rüssel, und er schüttelte seinen Schild wie ein Wahnsinniger, hetzte seinen Wagenlenker und fiel das Heer an. Dann stieg, groß und
    dick, gleichmäßig und stark und so hoch wie der Mast eines edlen
    Schiffes, aus der Mitte seines Schädels ein Strahl schwarzen Blutes auf, dunkel und qualmend wie der Rauch aus einem königlichen
    Gebäude, wenn der König am Ende eines Wintertages nach Hause
    kommt.

    Mit einem Wort, ein beeindruckender Gegner. In der irischen Heldenliteratur ist die herzhafte Übertreibung ein Stilmittel, das die angenommene Zuhörerschaft ebenso erfreuen soll wie die Übertreibungen eines Superbowl-Sportreporters das Publikum. Wie so viele Passagen des Tain liefert auch diese eine lebendige Miniatur der Zeit – in der fast homerischen Beschreibung eines warmen, anheimelnden Gebäudes an einem Winterabend. Zudem erhaschen wir einen Blick auf das Temperament dieser Menschen, auf den hohen Grad an Emotionalität, der ihr Leben bestimmte. Ich bezweifle keine Sekunde lang, daß der Schüttelkrampf eine echte Erfahrung war, von dem Betreffenden tief gefühlt und von der gegnerischen Armee deutlich zu beobachten.
    Jeder, der schon einmal in echte Wut geraten ist (oder ihr Opfer war), kennt die Entstellungen, die in dieser Passage beschrieben werden.
    Genauso, denke ich, geht es jedem, der je Angst empfunden hat: Was für ein perfektes Ritual für den Krieger, mit der eigenen Angst umzu-gehen, wenn der Herzschlag in seiner Brust zum »Bellen eines Wachhundes vor der Fütterung« wird und er sich von einem normalen
    Sterblichen in eine Tötungsmaschine verwandelt.

    [Cuchulainn] fuhr in ihre Mitte und noch weiter und mähte eine
    große Anzahl seiner Feinde nieder, rannte dreimal um die Armeen

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    herum und griff sie voller Haß an. Sie fielen Sohle an Sohle und
    Hals an kopflosem Hals, so groß war die Zerstörung. Er umkreiste
    sie wieder dreimal und hinterließ ein sechs Körper tiefes Bett in einem großen Kreis; die Sohlen von dreien lagen am Hals von dreien
    in einem Kreis um das Schlachtfeld ...

    Eine Zählung oder Schätzung der Gefallenen ist nicht bekannt und
    unmöglich. Nur die Namen der Häuptlinge wurden gezählt ... In dem großen Blutbad auf der Ebene von Murtheimne tötete Cuchulainn
    einhundertdreißig Könige sowie unzählige Hunde und Pferde, Frauen und Jungen und Kinder und jede Menge Pöbel. Jeder dritte Mann war am Oberschenkel oder Kopf oder Auge verletzt oder war für den Rest seines Lebens versehrt. Und als die Schlacht vorbei war, gingen Cuchulainn und seine Helfer und Pferde ohne einen Kratzer davon.
    Cuchulainn erinnert uns manchmal an den Helden aus einem Comic-
    Heft. Die einzigen Leser, die heute von solchen Taten begeistert
    wären, sind Jungen – aber in solch frühen Geschichten wie dem Tain kommen wir in Berührung mit der imaginierten Kindheit der menschlichen Rasse. Sogar die Aufmachung des Helden legt diesen Vergleich nahe. Hier zum Beispiel die

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