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Wie die Iren die Zivilisation retteten

Wie die Iren die Zivilisation retteten

Titel: Wie die Iren die Zivilisation retteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Cahill
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desselben Kelches, derselben Bestimmung. Der silberne Kessel wurde als Dankesgeschenk für einen großen Gefallen hergestellt: Er sollte nicht von menschlichen Augen betrachtet werden, sondern war zur
    Freude des Moorgottes bestimmt. Aber der silberne Kelch sollte die Menschen, die seinen mystischen Inhalt tranken, erfreuen und erfrischen. Sein elegantes Gleichgewicht, seine zarten Goldintarsien, seine blauen und roten Edelsteine lockten schon von weitem. Wenn er
    näher kam, konnte der Kommunikant die hohe Handwerkskunst
    noch deutlicher sehen und bewundern, und wenn er den Kelch an die Lippen hob, entdeckte er erstaunt die beinahe unsichtbaren Namen
    der zwölf Apostel, eingraviert in ein Band unterhalb der Henkel.
    Trank er den Wein – im Moment des eigentlichen Abendmahls –,
    kehrte er den Kelch um, und zum Himmel strahlte die hinreißendste Seite des Gefäßes, die raffinierte Unterseite, die von Gott allein gesehen werden sollte. Diese geheime Freude verbindet den Kelch mit
    dem Kessel und mit allen heidnischen Vorfahren der Iren. Doch die heidnische Art, den Gott zu erfreuen, ist nun vollkommen in der
    neuen Vorstellung und allem, was darauf folgt, aufgegangen. Der
    Schmied ist nach wie vor ein »Mann der Kunst«, ein Dichter oder
    Druide, aber er gehört nicht mehr zu denen, gegen deren böse Macht Patrick sich schützen mußte:

    Gegen das Handwerk der Götzenverehrung,
    Gegen Sprüche von Hexen und Schmieden und Zauberern,
    gegen jedes Wissen, das Körper und Geist schwächt.

    124
    Denn die Freude Gottes und der Menschen ist vereint, und die Erde wird von himmlischen Blitzen erleuchtet, und der Kelch ist das Dankesgeschenk des druidisch-christlichen Schmiedes, sein deo gratias.
    Und so wurden die Iren zu Christen.

    125

VI. Was herauskam
Wie die Iren die
    Zivilisation retteten

    Patrick war ein schwergeprüfter Mann, der sein Lebensziel erst fand, als sein Leben bereits halb vorüber war. Er konnte sehr zornig werden, wenn er eine Ungerechtigkeit beobachtete – nicht, wenn diese sich gegen ihn selbst richtete, sondern wenn sie andere traf, vor allem Wehrlose. Doch er besaß die Fröhlichkeit und freundliche Stimmung, der man bei vielen bescheidenen Menschen begegnet. Er erfreute sich an dieser Welt und an der Vielfalt der Menschen – und er nahm sich selbst nicht allzu ernst. Im Geiste war er ein Ire. »Überragender Egoismus und vollkommene Ernsthaftigkeit sind nötig, um die größ-
    ten Ziele zu erreichen, doch die Iren können das nicht durchhalten; immer wieder wird der Drang, das Leben von der komischen Seite zu sehen, unwiderstehlich, und aller Ehrgeiz läßt nach.« Diese Einsicht von William V. Shannon wirft ein besonderes Licht auf Patricks Persönlichkeit und erklärt, warum seine wahren Leistungen im historischen Dunkel verborgen geblieben sind. Sie hebt Patrick noch deutlicher ab von seinem Bischofskollegen und Konfessionsbruder, dem
    von sich selbst besessenen Augustinus.
    Die Wechselbeziehung zwischen Patrick und seinem adoptierten
    Volk ist gut nachzuvollziehen. In der temperamentvollen irischen
    Kultur galt ein mystischer Umgang mit der Welt als normal – anders als in der kühleren, rationaleren römischen Welt. Trotz ihrer heidnischen Finsternis und Instabilität war die irische Umgebung dem
    ungebildeten Hirtenjungen, zu dem Gott gesprochen hatte, am Ende
    angenehmer. Sein eigentliches Zuhause im römischen Britannien war ihm fremd geworden. Aber die Iren gewährten Patrick mehr als nur
    ein Zuhause – sie gaben ihm eine Rolle, seinem Leben einen Sinn.
    Denn nur dieser ehemalige Sklave besaß das richtige Gespür, um den 126
    Iren eine neue Geschichte nahezubringen, eine, die all ihre alten Geschichten erklärte und ihnen einen Frieden brachte, den sie vorher nicht kannten.
    Patricks Geschenk an die Iren war sein Christentum – das erste en-tromanisierte Christentum in der Menschheitsgeschichte. Ein Chri-
    stentum ohne den soziopolitischen Ballast der gräko-romanischen
    Welt, ein Christentum, das sich vollständig in die irische Kultur eingliederte. Das Christentum war durch den Edikt von Mailand, der die neue Religion im Jahre 313 legalisierte und zur Lieblingsbeschäfti-gung des neuen Kaisers machte, nach Rom vorgedrungen, nicht
    umgekehrt! Die römische Kultur veränderte sich durch den Aus-
    tausch nur wenig, und es kann behauptet werden, daß das Christen-
    tum dabei viel von seinem Charakter verlor. Durch Patricks Vermittlung dagegen wurde Irland, dem die Macht und die

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