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Wie die Iren die Zivilisation retteten

Wie die Iren die Zivilisation retteten

Titel: Wie die Iren die Zivilisation retteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Cahill
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Christus war für alle gestorben. Ich wette, daß er Paulus, sein Vorbild, zitierte, der in seinem Brief an die Gemeinde in Philippi dieses Gedicht über das Thema Opfer niederschrieb – das älteste christliche Kirchenlied, das wir kennen:

    121

    Er war in allem Gott gleich,
    und doch hielt er nicht daran fest,
    zu sein wie Gott.

    Er gab es willig auf und wurde einem Sklaven gleich.
    Er wurde ein Mensch in dieser Welt.

    Und teilte das Leben der Menschen.
    Im Gehorsam gegen Gott
    erniedrigte er sich so tief,
    daß er sogar den Tod auf sich nahm,
    ja, den Verbrechertod am Kreuz.

    Darum hat Gott ihn auch erhört,
    und ihm den Ehrennamen verliehen,
    der ihn hoch über alle stellt.

    Vor Jesus müssen alle niederknien -
    alle, die im Himmel sind,
    auf der Erde und unter der Erde;

    alle müssen feierlich bekennen:
    »Jesus Christus ist der Herr! «
    So sollen sie Gott, den Vater, ehren.

    Ja, hätten die Iren gesagt, das ist eine Geschichte, die uns aus der Seele spricht – und das so gut, daß wir nicht davon zu träumen gewagt
    hätten. Wir können unsere Messer weglegen und unsere Altäre ver-
    lassen. Sie werden nicht länger benötigt. Der Gott der drei Gesichter hat uns seinen eigenen Sohn gegeben, und wir wurden im Blut dieses Lammes reingewaschen. Gott haßt uns nicht. Er liebt uns. Ein Mensch kann keine größere Liebe erweisen, als sein Leben für seine Freunde zu geben. Dies hat Gottes Wort, Fleisch geworden, für unsgetan. Von nun an sind wir alle Opfer – aber ohne Blutvergießen. Gott will unser 122
    Leben, nicht unseren Tod. Dennoch müssen wir Opfer sein, denn Paulus fügt seinem Lied diesen Ratschlag hinzu: »Laß denselben Geist in dir wohnen, der auch in Jesus Christus gewohnt hat.« Die Kelten haben uns zwei Gefäße hinterlassen – vielleicht die beiden berühmtesten Gefäße in der Geschichte –, die die Veränderung im Bewußtsein der Iren von den angstvollen, instabilen heidnischen Ursprüngen hin zum Frieden nach der Taufe wunderschön darstellen. Zum einen ist
    das der Gundestrup-Kessel, gefunden in einem dänischen Moor,
    wohin er ein oder zwei Jahrhunderte vor Christus von einem Anhän-
    ger des keltischen Glaubens als Weihgabe geworfen wurde. Wir
    wissen, daß er ein Geschenk sein sollte, weil er ganz neu geschmiedet und, wie in der keltischen Tradition üblich, vor der Opferung in
    Stücke gebrochen worden war: Er war nie für den normalen mensch-
    lichen Gebrauch bestimmt. (Alle Opfergaben, selbst das Brot für das Abendmahl, müssen beiseite gelegt und auf irgendeine Weise gebrochen, gebraucht oder verändert werden, damit sie wirken. Das gehört zur »Logik« einer Opfergabe.) Das Gefäß ist ein herrliches Beispiel für die Silberschmiedekunst, auf den Seitenwänden tummeln sich Götter und Krieger. Einige Bildnisse stellen Opfer dar, und zwar tierische wie menschliche. Ein Abschnitt zeigt einen gewaltigen Götterkoch, der zappelnde Menschen in einen Bottich wirft, wie wir es mit Hum-mern tun. Ein anderer zeigt einen gehörnten Gott – eine Figur, die oft für Cernunnos gehalten wird, einen Gott, der sich auf vielen Münzen von Indien bis zu den Britischen Inseln wiederfindet –, den Herrn der Tiere, umgeben von Ziege, Hirsch, Schlange, Delphin und anderen
    Angehörigen des Tierreiches sowie von dreiblättrigen Pflanzen und Blumen. Dieser prähistorische Heilige Franziskus, der sein friedliches Königreich regiert, fungiert als Gegensatz zur Gewalt der Krieger und der kannibalischen Götter. Das Bild dient beinahe als Brücke zwischen den grimmigen keltischen Göttern mit ihrem Verlangen nach Opfern
    und dem christlichen Gott, der sich selbst darbietet.
    Das andere Gefäß ist der Ardagh-Kelch, der in einem Feld in Lime-
    rick gefunden wurde. Er wird auf das Ende des siebten oder den
    Anfang des achten Jahrhunderts datiert – etwa die Zeit, in der der
    »Brustharnisch« seine endgültige Form erhielt. Er stellt die außerge-123
    wöhnlichste Schmiedearbeit des frühen Mittelalters dar: barbarisch und feinsinnig, solide und leicht, tapfer und zurückhaltend. Wie der Kessel wurde er eigens für das Ritual hergestellt, zeigt aber freundli-chere Bilder zum Thema Opfer, denn der Gott, dem er dargebracht
    werden sollte, verlangt nicht mehr, daß wir ihn füttern und auf diese Weise eins mit ihm werden. Der Vorgang wurde umgekehrt: Er bietet sich selbst als himmlische Nahrung an. In dieser neuen »Ökonomie«
    trinken wir das Blut Gottes, und alle werden eins durch das Teilen

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