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Wie die Iren die Zivilisation retteten

Wie die Iren die Zivilisation retteten

Titel: Wie die Iren die Zivilisation retteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Cahill
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jedes einzelnen«, warnt das Gesetz von Saint Carthage, »und unterschiedlich die Natur jedes Ortes.« Irische Äbte machten Vorschläge, drängten zu nichts. Und auch wenn das Amt des Abtes oft vom Vater auf
    den Sohn weitergegeben wurde – was die Römer erneut beunruhigt
    hätte –, glichen die Iren ihre aristokratische Nachfolgeregelung doch 151
    durch ein erfrischend demokratisches Reglement aus: »Ein Mann ist besser als sein Nachkomme« lautet ein Gesetz jener Zeit und bestimmt damit den Vorrang des individuellen Geistes über das Blut.
    Am meisten hätten sich die Römer vielleicht darüber aufgeregt, wie diese Mönche die große römische Tugend der Ordnungmißachteten.
    In einem Befehl an seine Brüder stellte Columbanus , den wir bald wiedertreffen werden, die große Tugend des Evangeliums über alle
    anderen: »Amor non tenet Qrdinem« (»Liebe hat nichts mit Ordnung zu tun«).
    Die Iren entwickelten auch eine Form der Beichte, die mit ihrer ab-soluten Privatheit auf dem Kontinent keinen Vergleich fand. In der alten Kirche waren die Sündenbekenntnisse – und die nachfolgende
    Buße (z. B. jahrelang in Sack und Asche vor der Kirchentür zu er-
    scheinen) – immer öffentlich gewesen. Die Sünde wurde als öffentliche Angelegenheit betrachtet, als Verbrechen wider die Kirche, die als mystischer Körper Christi galt. Einige Sünden hielt man sogar für unverzeihlich, und bereits vergebene Sünden durften nicht noch
    einmal begangen werden.. Die Buße war ein einmaliges Sakrament:
    Ein zweiter Diebstahl, ein zweiter Ehebruch, und man war »draußen«, für immer exkommuniziert, zur Verdammnis verurteilt. Zu Patricks
    Zeiten war eine private Beichte nicht völlig unbekannt, aber man
    verband sie immer noch mit irgendeiner Form der öffentlichen Be-
    kanntgabe (wir erinnern uns an Patricks diesbezügliche Leiden) und liturgischen Buße. Die irische Neuerung machte jede Beichte zu einer absolut privaten Angelegenheit zwischen Büßer und Priester – und sie konnte so oft wie nötig wiederholt werden. (Die Wiederholung wurde sogar durch die Theorie gestützt, daß, na ja, eigentlich alle ständig ziemlich viel sündigten.) Die neue Form löste die öffentliche Demütigung mit Rücksicht auf die Gefühle des Sünders ab und minderte die harten Bußen der früheren Zeit, damit der Sünder nicht den Mut
    verlor. Sie war aber auch Ausdruck des irischen Empfindens, daß das persönliche Gewissen über der öffentlichen Meinung oder der Kir-chenautorität stand. Der Bußfertige wurde nicht von anderen bewertet, er bewertete sich selbst. Seine Sünde ging niemanden etwas an als Gott.
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    Die Beichte wurde zwar von einem menschlichen Wesen abge-
    nommen, aber er oder sie war aufgrund wahrer priesterlicher Qualitä-
    ten dafür ausgewählt worden: Heiligkeit, Weisheit, Großzügigkeit, Treue und Mut. Niemand konnte einen solchen Priester über das
    ausfragen, was in der Beichte vorgefallen war. Der Priester wußte, daß jede Beichte auf ewig durch Gott selbst versiegelt worden war.
    Dieses Siegel zu bre- chen hieße, die eigene Erlösung zu gefährden: Es war im Grunde die einzige Sünde, die die Iren für unverzeihlich
    hielten. Also wählte man seinen »Priester« nicht unbedingt unter den ordinierten Berufspriestern aus: die Beichte war etwas zu Persönliches und Wichtiges für eine solche Einschränkung. Man suchte nach einem anmchara, einem Seelenfreund, jemandem, dem man sein Leben lang vertraut hatte. Daher kommt das Sprichwort: »Ein Mensch ohne einen Seelenfreund ist wie ein Körper ohne Kopf«, das noch aus heidnischen Zeiten stammt. Die Druiden, nicht die Mönche, waren die
    ersten Seelenfreude.
    Es ist bedauerlich, daß außer der privaten Beichte nur wenige irische Erneuerungen von der Universalkirche übernommen worden
    sind. Wie anders könnte der Katholizismus heute sein, wenn er auch die irische Sympathie zwischen Kirchenleuten und Laien übernommen hätte, die lockere irische Einstellung zu Verschiedenheit, Autorität, der Rolle der Frau und der relativen Bedeutungslosigkeit der Sexualmoral. In einer der besten Geschichten von Cogitosus läßt die zartfühlende Brigid den Fötus einer Nonne (deren Bauch »durch das jugendliche Lustbegehren ... von einem Kind geschwollen war«) auf magische Weise verschwinden (»ohne Geburt und ohne Schmerzen«),
    damit die Nonne nicht aus dem Kloster geworfen wird. Die glückliche Nonne »wurde ... wieder gesund« und war nicht mehr schwanger.
    Auf dem Kontinent

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