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Wie Die Iren Die Zivilisation Retteten

Wie Die Iren Die Zivilisation Retteten

Titel: Wie Die Iren Die Zivilisation Retteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Cahill
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denen viele bei der beschwerlichen Überfahrt nach Nord-
    amerika oder Australien umkamen. Bis 1914 waren noch einmal vier
    Millionen Iren ausgewandert; damit hatte sich Irlands Bevölkerung seit 1845 um ein Drittel reduziert – auf weniger als viereinhalb Millio-182
    nen. Daß ein so fruchtbares Land unfähig geworden war, seine geliebten Kinder zu ernähren, ist die Folge der ökonomischen Vergewaltigung, die es so viele Jahrhunderte hindurch ertragen mußte. Denn zu dieser Zeit war Irland längst Englands erste Kolonie, ein Dritte-Welt-Land am RandeEuropas. Erst die kulturellen und politischen Bewegungen des zwanzigsten Jahrhunderts gaben dieser geschlagenen
    Bevölkerung einen Anflug von Selbstachtung zurück.*
    Beraubten die Wikinger Irland seiner Führungsrolle, so hätten die Strafgesetze beinahe seine Identität zerstört. Diese vernichtenden antikatholischen Zwangsvorschriften bewirkten, daß praktisch der
    gesamte einheimische Adel das Land seiner Ahnen verließ. Ende des achtzehnten Jahrhunderts war die Flucht komplett. Art O’Leary war einer der letzten Adligen, die in Irland noch ein Zuhause hatten – und in Kapitel III haben wir gesehen, was mit ihm geschah. Irlands Verlust war der Gewinn anderer Nationen: Namen wie Hennessy (die Co-gnac-Familie), Lally, MacMahon und Walsh in Frankreich; Murphy,
    Kindelan, Mahoney und O’Brien in Spanien; Taafe und Hegerty in
    Österreich; O’Neill in Portugal, O’Rorke in Rußland; O’Higgins in Chile und O’Farril und Quinn in Mexiko zeigen auf, wohin die Wildgänse, wie man sie nannte, flogen. Für die verarmten Bauern, die
    zurückblieben, waren die zerstörten Wälder und verlassenen Burgen Irlands nur noch Erinnerungen an eine herrliche Vergangenheit, nun von adligen Geistern bevölkert, wie in dem anonym verfaßten »Kilcash« zu lesen:

    * Die Iren wurden »Königin Viktorias treueste Untertanen« genannt, weil man sie in moderner Zeit – paradoxerweise, wenn man an ihre frühe Geschichte denkt – mit Prüderie und sexueller Unterdrückung in Verbindung brachte. Dieses neue Verhalten erwuchs, wie ich glaube aus dem verständlichen Wunsch der enteigneten Bauern nach Respekt, einem Wunsch, der nach Frank O’Connor »in dem Moment, als Englisch die Landessprache wurde«, zutage trat. Sprache vermittelt auch Werte, und das Englisch, das die Iren schließlich lernten, war die Sprache der Königin. Doch, fährt O’Connor fort, wo immer die irische Sprache erhalten geblieben sei, hätten Männer und Frauen »sexuelle Beziehungen weiterhin als unterhaltsamstes Gesprächsthema betrachtet.« Das Fruchtbarkeitsfest zum Beispiel, das im Kapitel VI beschrieben ist, wurde im irischsprachigen Kilorglin in der Grafschaft Kerry auch unter Viktorias Herrschaft gefeiert. Wer Irland in letzter Zeit besucht hat, wird bemerkt haben, daß die Iren ihre ursprüngliche Art wiederentdecken.

    183

    Wo sollen wir Holz herbekommen?
    Der letzte Baum ist gefällt.
    Kilcash und das Haus seines Ruhms
    Und die Hausglocke sind verschwunden,
    Der Platz, an dem die Dame wartete, Die alle Frauen mit ihrer An-
    mut beschämte,
    Als Grafen herbeisegelten, um sie zu grüßen,
    Und die Messe hier gehalten wurde.

    Meine Trauer und mein Leid.
    Eure Tore wurden fortgenommen,
    Eure Auffahrt bedarf der Pflege,
    Ziegen streunen im Garten.
    Im Hof steht das Wasser,
    Und die großen Grafen, wo sind sie?
    Die Grafen, die Dame, das Volk
    in die Erde gestampft.

    Aber wir können die Iren nicht in die Erde gestampft zurücklassen. In allen Katastrophen, hätte Patrick gesagt, gibt es einen Hoffnungs-schimmer. Kilcash, dessen zerstörter Turm noch immer in den Him-
    mel von Tipperary ragt, war ein Schloß der anglo-normannischen
    Familie Butler, deren Abkömmling William Butler Yeats eines Tages als größter Dichter des zwanzigsten Jahrhunderts Irland so viel Ehre bringen sollte. Unser größter Romancier, James Joyce, wuchs in Dublin auf, Hochburg der Wikinger und Provinzhauptstadt Britanniens.
    Auch ganz unten ließen die Iren die Kerze der Hoffnung brennen.
    Im Jahre 1843, kurz vor Beginn der Hungersnöte, zeigte sich ein
    selbstgefälliger deutscher Reisender sehr überrascht , daß er im bäuerlichen Irland tatsächlich Anzeichen von Bildung fand:

    »Ich habe bereits das etwas antiquierte Wissen erwähnt, das auch
    die niedrigeren Klassen der Menschen von Kerry besitzen; und nun
    bin ich auf ein bemerkenswertes Beispiel gestoßen. Im Bug des Boo-184
    tes saß ein Mann aus Kerry und las ein

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