Wie die Libelle in der Wasserwaage
würde.
Ärgerlich wies ich sie auf die Wettergegebenheiten und meine Kleidung hin. Das sei ja wohl unzumutbar! Den Ernst dieser Situation erkannte sie sofort. Also wies sie den hauseigenen Chauffeurdienst an, mich umgehend von Tür zu Tür zu fahren und auf Wunsch sofort wieder abzuholen. Eine geniale Lösung!
*
Die Bar des Excelsior war sehr schick. Beim Eintreten streute ich diskret abschätzende Blicke in die Runde, um die Lage zu peilen. Eine Gruppe südländisch wirkender Männer belegte einen Teil der Bar und schied sofort aus. Ich suchte schließlich etwas Solides, etwas Hiesiges, keinen Windhund aus dem Süden.
Ein anderer Gast schied aus, weil er entschieden zu alt wirkte. Drei andere Herren waren in Damenbegleitung. Es schien, als habe mich das Glück mal wieder verlassen.
Betont selbstbewusst nahm ich auf einem Barhocker möglichst weit von der Südgruppe entfernt Platz und bestellte mir einen Martini. Schließlich war ich noch nüchtern, Nachschub an Hausmarkensekt hatte es leider nicht gegeben. Ich nippte vorsichtig, denn nun hieß es, abwarten. Wer weiß, wie lange der Abend sich dehnen würde. Wie eine Katze auf der Lauer beobachtete ich mein Revier.
Zwei sehr mondän gekleidete Damen mittleren Alters erschienen, nahmen ein Stück weit von mir entfernt an der Bar Platz, bestellten sich je ein Glas Champagner und parlierten distanziert. Drei junge Männer, mit Schlägerkappen und bedruckten Sweatshirts recht underdressed, nahmen an einem Ecktisch Platz und bestellten Bier. Eines der drei Paare zahlte und ging, während die Südländer leicht an Lautstärke gewannen. Wesentliches tat sich nicht.
Die mondänen Damen tranken aus und gingen. Die drei jungen Männer bestellten die nächste Runde Bier. Die Südländer wurden wieder etwas leiser. Ein jüngeres Paar, beide sehr schick, nahm an der Bar Platz und bestellte Cocktails. Langsam wurde ich ungeduldig. Mein Plan, der mir so genial erschienen war, erwies sich wohl doch als Flop.
Dann kam er. Nicht zu groß, nicht zu klein, nicht zu dick, nicht zu dünn, nicht zu alt, nicht zu jung, makellos gekleidet, passabel, aber nicht zu gut aussehend, die perfekte Beute. Ich brachte mich in Angriffsposition.
Er nahm nur drei Barhocker von mir entfernt Platz und bestellte einen teuren Whiskey. Eine optimale Anfangsvoraussetzung also. Ich schlug die Beine von einer Seite auf die andere übereinander, nippte zaghaft an meinem Martini und beobachtete ihn aus dem Augenwinkel heraus. Erst mal die sanfte, schüchtern-mädchenhafte Masche. Sollte sie nicht fruchten, könnte ich noch immer härtere Maßnahmen ergreifen.
Aber das war gar nicht nötig. Er sah verstohlen zu mir hinüber, und als unsere Blicke sich trafen, lächelte er. Ich lächelte zurück, wandte schnell den Blick wieder ab und sah dann, mit scheinbar scheuem Augenaufschlag, ganz kurz wieder zu ihm hin, nur um mich sofort und wie verlegen wieder abzuwenden. Eine tolle Masche, das wirkt fast immer.
Er stand auf, kam zu mir und fragte sehr direkt, ob ich alleine in Köln sei. Ich bejahte freundlich, aber nicht zu verbindlich. Zu leicht wollte ich es ihm nicht machen. Männer wollen Eroberer sein, mühelos zugängliche Beute ist langweilig für sie. Sie wollen schöntun, buhlen, werben und am Ende triumphieren. Dann fühlen sie sich wie die Sieger einer Schlacht, die stolz auf ihre mühsam errungene Trophäe sind. Was ihnen allzu willig in den Schoß fällt, ist zu billig.
Also beantwortete ich seine nächsten Fragen kurz angebunden und bewegte mich gekonnt auf dem Drahtseil zwischen Zurückweisung und Interesse. Ich schien das ziemlich gut zu machen, denn der Kerl hing an meinen Lippen, betrachtete mich fast schmachtend und lächelte leicht verzückt.
Er hieß Heinz, so erfuhr ich schnell, und hatte ein Bauunternehmen, Hoch- und Tiefbau, um genau zu sein. Heinz kam aus Köln und hatte gerade ein wichtiges, aber langweiliges Treffen mit einem Stadtrat absolviert. Da ging es um ein Millionengeschäft, die Stadt baue ja eine neue Untergrundbahn, und er habe in diesem Zusammenhang einen bedeutenden Auftrag erhalten. Schon seit dem letzten Jahr werde da nun gebaut, die Nord-Süd-Stadtbahn sei eines der progressivsten städtischen Bauprojekte unserer Zeit, und er sei stolz darauf, an diesem historischen Vorhaben beteiligt zu sein. Der Anschluss der südlichen Stadtteile ans Zentrum sei ein bahnbrechender Schritt für Köln, dass er daran mitarbeite, gebe ihm das Gefühl, einer der maßgeblichen
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