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Wie die Libelle in der Wasserwaage

Wie die Libelle in der Wasserwaage

Titel: Wie die Libelle in der Wasserwaage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almut Irmscher
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Wenn er nur mal aufblicken würde!
    Während ich verzweifelt versuchte, telepathische Energien herbeizuziehen, um ihn auf mich aufmerksam zu machen, nahm ein anderer Mann neben mir an der Bar Platz und quatschte mich prompt an. Jäh aus meinen Bestrebungen gerissen sah ich ihn irritiert an. Er war ein feister Glatzkopf, aber gut gekleidet. Was mich nach Köln gezogen habe, wollte er wissen, was für eine platte Anmache!
    Meine Gedanken rotierten. Ich suchte einen wohlhabenden Mann, aber nicht unbedingt einen fetten Kahlköpfigen. Durfte ich es mir erlauben, wählerisch zu sein? Vermutlich eher nicht. In diesem Moment erschien eine sehr attraktive Dunkelhaarige, begrüßte meinen Richard Gere mit Küsschen und nahm strahlend auf dem Barhocker neben ihm Platz. Soviel dazu.
    Mit aufgesetzter Freundlichkeit wandte ich mich der spiegelnden Glatze zu und erzählte irgendeinen spontan erfundenen Blödsinn von geschäftlichen Gründen, die mich nach Köln geführt hätten. Ich sei in der Modebranche tätig, und er?
    Bankgeschäfte, Investitionen, Kredite, ermüdende Dinge, erwiderte er. Die Stadt Köln baue ja einen neue Untergrundbahn, heutzutage sei das aber alles nicht mehr so einfach, die Kommunen seien ja nicht mehr so reich wie ehedem, und da gäbe es einiges zu tun, um Gelder rechtzeitig in geeignete Kanäle umzuschichten oder neu zu beschaffen. Gar nicht einfach, das alles, der Markt sei ja so komplex geworden.
    Er rückte ein Stückchen näher an mich heran. Was ich denn da trinke? Was, keinen Alkohol? Ich vertrage das wohl nicht, kicherte er mit anzüglichem Blick. Uh, wie widerte er mich in diesem Augenblick an!
    Da klingelte mein Handy. Ich murmelte irgendeine Entschuldigung und kramte das Ding aus meiner neuen, überteuerten Handtasche. Es war Tafari. Ich entschuldigte mich nochmals bei der Glatze, wandte mich ab und nahm das Gespräch an.
    Wo ich denn sei, und wann ich wiederkäme, fragte er mit seinem gutturalen Akzent. Er klang wirklich besorgt. Das tat mir leid. Deshalb reagierte ich spontan. Es habe einen Notfall in meiner Familie gegeben, log ich. Meine Mutter sei gestürzt und bedürfe nun der Hilfe. Wie lange das dauern würde, wisse ich auch nicht. Aber ich würde ihn auf dem Laufenden halten. Nun müsse ich Schluss machen, denn sie brauche mich. Aber danke für den Anruf, ich würde mich melden.
    Ich hasse Lügen, klar. Aber manchmal geht es einfach nicht anders.
    Der Dicke mit dem Spiegelkopf betrachtete mich derweil mit undefinierbarem Gesichtsausdruck. Ich merkte, wie der Widerwille in mir aufstieg und sich zu einem Kloß verhärtete. Nein, so nicht.
    Dringende familiäre Angelegenheiten, sagte ich ihm. Leider müsse ich fort. Schönen Abend und Gute Nacht.
    Der Abend war eine grandiose Pleite gewesen.
    *
    Neues Spiel, neues Glück, oder? Ich verlängerte meinen Aufenthalt, und zwar vorsichtshalber gleich um zwei Nächte. Sicher ist sicher.
    Der nächste Abend kam und ich war fest entschlossen, dieses Mal alles richtig zu machen. Typen, die nicht in Frage kämen, würde ich rechtzeitig abwimmeln, alle anderen gezielt umgarnen. Bereits gegen sieben machte ich mich auf in Richtung Bar. Der frühe Vogel fängt den Wurm , hatte meine Großmutter gewusst.
    Es war unglaublich. Die Bar war gesperrt! Sie war exklusiv reserviert für eine Hochzeit. Ich war sprachlos. Umgehend beschwerte ich mich an der Rezeption. Darüber hätte man mich als zahlenden Gast doch informieren müssen! Ich war wirklich sauer. Jeder Tag in diesem Hotel ließ mein Investitionspotential schließlich nicht unerheblich schrumpfen.
    Das Mädchen an der Rezeption war sichtlich verlegen. Sie war bestimmt nicht viel älter als ich, und es war sicher auch nicht ihr Fehler. Aber das war mir egal. Ich war nämlich echt verzweifelt in diesem Moment.
    Es täte ihr wirklich ausgesprochen leid, sagte sie in unterwürfigem Tonfall. Sie wisse ja auch nicht, was man da machen könne, aber wenn ich eine gepflegte Bar für den Abend suche, so gäbe es da ja noch das wirklich ganz nahe Excelsior Hotel, dessen Bar sei ganz hervorragend, ehrlich! Nur ein paar Schritte über die Domplatte, dann sei ich schon da!
    Ich grübelte kurz. Klar, eine andere exklusive Hotelbar, das wäre ein Ausweg. Aber es war vollkommen undenkbar, dass ich meinen grässlichen Winterparka über das schicke Cocktailkleid zog, um dorthin zu kommen. Außerdem würden unterwegs sowohl Make-up als auch Frisur über den Jordan gehen, das war ganz klar, egal, wie kurz der Weg sein

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