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Wie die Libelle in der Wasserwaage

Wie die Libelle in der Wasserwaage

Titel: Wie die Libelle in der Wasserwaage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almut Irmscher
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finden, dem ich diese Story verklickern konnte. Überzeugender war es doch, das Paket langsam und mit Bedacht aufzuschnüren, meinem Gegenüber dabei immer das Gefühl vermittelnd, dass ich eigentlich nicht so viel davon preisgeben wollte.
    Meine Strategie funktionierte prächtig. Nach vier Whiskeys für ihn und drei Gläsern Wasser für mich war ich schließlich beim großen Finale angelangt. Ich armes, verlorenes Kind saß allein und fast mittellos im großen, fremden Köln, auf der Flucht vor blutrünstiger lateinamerikanischer Miliz. Fast tat ich mir selbst leid.
    Der Mann überlegte nicht lange. Mit begrenzten Mitteln im Hotel, das gehe doch überhaupt nicht! Das könne ich keinesfalls lange durchhalten, und was dann? Zumal ja an jeder Ecke die Rachegelüste meines Vaters lauern konnten!
    Er könne mir helfen, ja, er flehte mich fast an, seine Hilfe anzunehmen. Ich brauche mir keine Sorgen zu machen, denn er sei ein Ehrenmann. Schließlich sei er fast schon einmal zur Jungfrau des Kölner Dreigestirns gekürt worden, die immerhin die beschützende Mutter Colonia symbolisiere. Ganz kurz davor sei er gewesen, aber dann habe der Josi von den Prinzen ihm im vorletzten Jahr den Posten vor der Nase weggeschnappt, aber was nicht gewesen sei, könne ja noch werden, wer weiß, im nächsten Jahr vielleicht. Man dürfe nämlich nicht außer Acht lassen, dass der Posten der Jungfrau natürlich mit recht hohem Ansehen verbunden sei. Aber noch weit lukrativer sei es übrigens, Prinz Karneval selbst zu werden, freilich schaffe das fast keiner. Denn man müsse mehr als eine Million Euro aufbringen, um erst mal so weit zu kommen, danach habe man allerdings für alle Zeiten ausgesorgt. Da käme er schon ernsthaft ans Nachdenken. All die gewinnträchtigen Aufträge, die in der Stadt so vergeben würden, die flögen einem dann ganz von selber zu. Dann bestellte er den fünften Whiskey und fragte, ob ich wirklich nur Wasser trinken wolle.
    Ja, das wollte ich, denn ich wollte einen klaren Kopf behalten, und vor allem wollte ich, dass der Typ endlich mal zum Punkt käme. Was interessierten mich seine Ergüsse über den Kölschen Klüngel? Ich wollte endlich wissen, was der Kerl mir zu bieten hatte!
    Dann legte er endlich seine Karten auf den Tisch. Er hätte ein großes Haus in Marienburg, einem netten Stadtviertel, in dem es sich noch leben lasse, mit viel Grün, ruhigen Straßen, großen Gärten, schönen Villen und gediegenen Bürgern. Dort sei man ja noch unter sich, wenn ich verstehen würde, was er meine. Jedenfalls, sein Haus sei groß genug und er hätte ein hübsches Gästezimmer, das er mir gerne zur Verfügung stellen wolle, so lange ich es benötige. Wir Menschen müssten ja zusammenhalten. Es geschehe so viel Übel auf der Welt, wenn wir einander nur ein bisschen mehr helfen würden, sei doch alles viel leichter. Er mache das wirklich gerne. Es sei ein gutes Gefühl für ihn, wenn er endlich einmal selbstlos etwas für einen anderen Menschen tun könne.
    Das whiskeyselige Geschwafel ging mir zunehmend auf den Senkel. Die Möglichkeit, in einer noblen Vorortvilla einziehen zu können, hingegen nicht. Sollte der Kerl mir an die Wäsche gehen wollen, bevor ich selbst das als strategisch angebracht erachten würde, dann wüsste ich mich schon zu wehren. Aber er war ja ein Edelmann. Eine Beinahe-Jungfrau, das hatte er doch selbst gesagt. Ich überlegte nur kurz. Dann sagte ich zu.
    Wir vereinbarten, dass er mich am nächsten Vormittag am Hotel abholen würde. Um mein elitäres Gesamtbild zu wahren, ließ ich mich dann vom Chauffeurdienst des Domhotels abholen, obwohl er mich gerne selbst im Taxi dorthin geleitet hätte. Aber immer langsam!
    *
    Punkt zehn Uhr am nächsten Morgen holte er mich mit seinem schwarzen S-Klasse-Mercedes, verziert mit wagenradgroßen Alufelgen, vor dem Domhotel ab. Die weitere gebuchte Nacht für das Zimmer hatte ich zum Glück noch stornieren können.
    Er habe das große Auto genommen, meinte er souverän, denn er hätte ja nicht gewusst, wie viel Gepäck ich tatsächlich bei mir haben würde. Eigentlich so gut wie nichts, erwiderte ich wahrheitsgemäß und hatte auch die passende Erklärung für meine schäbige Winterjacke parat: Bei meiner Hals über Kopf erfolgten Flucht habe mir die Hausangestellte noch schnell ihre Jacke übergestreift. Sie sei ja eine so gute Seele gewesen und völlig auf meiner Seite, aber was sonst habe sie schon tun können? Also hätte sie mir wenigstens ihren Winterparka

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