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Wie die Libelle in der Wasserwaage

Wie die Libelle in der Wasserwaage

Titel: Wie die Libelle in der Wasserwaage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almut Irmscher
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mitgegeben, die Liebe. Maria Pilar sei ihr Name, und sobald ich irgendwo Fuß gefasst hätte, wolle ich sie unbedingt nachkommen lassen. Das erzählte ich mit einem wehmütigen Unterton, der gar nicht gespielt war. Ich vermisste Maria Pilar, sie war ganz in Ordnung gewesen. Vermutlich war sie jetzt längst schon in Moskau, ich hatte nach der Weihnachtsmail vom vorletzten Jahr nichts mehr von ihr gehört.
    Mein Gönner aber schien nicht weiter an den Geschichten der Hausangestellten meines erfundenen Diplomatenvaters interessiert und erzählte mir statt dessen, dass er noch zwei weitere Autos besitze, einen kleinen, spritzigen Roadster für chillige Ausfahrten im Sommer und einen Maserati, falls es mal schnell gehen müsse. Dabei lachte er albern, so als hätte er eine tolle Pointe gelandet. Na, das konnte ja heiter werden. Meine Villa, meine Autos, meine Jacht. Obwohl – von letzterer hatte er bisher noch nicht geredet.
    Ich betrachtete ihn ein bisschen genauer. Erst jetzt fiel mir sein Doppelkinn auf. Offensichtlich hatte er auch einen Bauchansatz, was sein grauer Rollkragenkaschmir nicht so recht verbergen konnte. Ich schätzte ihn auf mindestens fünfundvierzig, aber beim Thema Alterseinschätzung bin ich wirklich kein Profi.
    Sein Haus in Marienburg war ein Traum. Es war eine große, weiße, komplett sanierte Jugendstilvilla hinter hohen, alten Bäumen, die ihre blattlosen Äste wie ein Bollwerk um sie in die Höhe streckten. Ein schmiedeeisernes Tor führte in die Zufahrt, wo links des Herrenhauses ein Garagenkomplex lag. Der Rest des Grundstücks war angelegt wie ein Park und penibel gepflegt, selbst jetzt im Winter lagen weder Laub noch eine andere Spur verwelkten Lebens herum. Alles war makellos.
    Natürlich war das nicht Hoch-Tief-Heinz zu verdanken, zumindest nicht seinem persönlichen, aktiven Einsatz. Er stellte mir gleich nach der Ankunft Kurt und Käthe Schmitt vor. Das Paar mit dem kölschen Adelsnamen, sie mochten Anfang sechzig sein, sorgte für Ordnung in Haus und Hof. Frau Schmitt kümmerte sich ganz klassisch um Haus und Küche, in gleicher Art war ihr Mann zuständig für die Autos und den Garten. Sie bewohnten eine kleine Einliegerwohnung im Souterrain und schienen ganze Arbeit zu leisten.
    Das mir zugewiesene Gästezimmer lag im Dachgeschoss mit schönem Blick auf Baumkronen und Himmel, der allerdings momentan ziemlich grau war. Es war groß und hell, wie ein recht komfortables Hotelzimmer ausgestattet und hatte ein eigenes Bad mit Dusche. Was wollte ich mehr?
    *
    Was sich aus mir und Hoch-Tief-Heinz entwickeln würde, das musste sich noch zeigen. Ich konnte den Mann einfach nicht wirklich einschätzen. Dazu brauchte ich mehr Zeit.
    Erstaunlicherweise ließ er mich zunächst weitgehend in Ruhe. Um mich abzuholen hätte er einen Termin verschieben müssen, deshalb müsse er nun los. Am Abend sei dann eine wichtige Karnevalssitzung, heute würden wir uns also wohl nicht mehr sehen, aber ich solle mich wie zu Hause fühlen. Frau Schmitt hätte auch bestimmt etwas zu essen für mich. Über den freien Tag war ich ganz froh.
    Doch auch an den folgenden Tagen sah ich ihn nur selten. Die Karnevalssaison war in vollem Gange und spannte ihn ein, eine ganz schöne Belastung neben seinen alltäglichen Geschäften. Ich richtete mich in meinem Zimmer gemütlich ein und fühlte mich eigentlich ziemlich wohl. Der Fernseher funktionierte, mein Notebook loggte ich ins Internet ein und der Kühlschrank in der Küche war stets gut gefüllt. Endlich hatte ich mal Ruhe. Das hatte ich nach all den Irrungen ja wohl auch redlich verdient.
    Frau Schmitt behandelte mich sehr reserviert, aber stets zuvorkommend. Schließlich war ich ein Gast des Hausherrn. Nur die täglich mit penetranter Beharrlichkeit eintreffenden Anrufe von Tafari störten meine Ruhe ein bisschen. Konnte er nicht akzeptieren, dass unsere Beziehung nun erst mal auf Eis lag? Vielleicht sollte ich mir eine neue Telefonnummer zulegen.
    Nach ein paar Tagen traf ich Hoch-Tief-Heinz nachmittags im Entree des Hauses. Eigentlich hatte ich nur von dort in die Küche gehen wollen, um mir ein Sandwich zu machen. Schön, mich zu sehen, meinte er, wobei er ziemlich müde und abgespannt wirkte. Das war ja auch kein Wunder, bei dem ganzen Stress. Ob ich mich auch wohl fühle, ob mir irgendetwas fehle?
    Ich verneinte, bedankte mich höflich für seine Gastfreundschaft und wollte schon in Richtung Küche weitergehen, da meinte er, heute Abend, zur großen Prunksitzung

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