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Wie die Libelle in der Wasserwaage

Wie die Libelle in der Wasserwaage

Titel: Wie die Libelle in der Wasserwaage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almut Irmscher
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seiner Karnevalsgesellschaft, da solle ich mitkommen. Und zwar als seine Tischdame für den Abend. Ich schluckte. Na prima!
    *
    Andererseits war es natürlich auch nicht verkehrt. Schließlich musste ich irgendwie vorankommen. Denn Zweck des Unterfanges war es ja nicht gewesen, im Gästezimmer eines Baumoguls vor mich hin zu dämmern. Ich musste langsam mal herausfinden, ob da noch mehr für mich drinsteckte. Wenn nicht, würde ich eben weitersehen müssen. Rauskommen und neue Leute treffen war auf keinen Fall falsch. Hoch-Tief-Heinz kannte bestimmt nur Leute aus der besseren Gesellschaft. Auch wenn es nur eine Karnevalsgesellschaft war.
    Verkleidete man sich da? Keine Ahnung. Mein Vater hatte gerne „ Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht“ in der Glotze geguckt, ein unerträglicher Blödsinn. Aber die Frauen trugen Abendgarderobe, wenn ich es recht erinnerte, die Männer dunkle Anzüge und alberne Kappen. Also zog ich mein Cocktailkleid an. Ich hatte ohnehin nichts anderes.
    Der Abend war furchtbar, aber ich betrachtete ihn als sozialpädagogische Feldstudie. Eine Gesellschaft von ehrwürdigen Spießern lachte über dämliche Zoten und erfreute sich an jungen Dingern, die in ultrakurzen, lächerlichen Kostümen die Beine hochwarfen. Hurra, wir verblöden!
    Später lud Hoch-Tief-Heinz mich dann noch zu einem Absacker in sein Wohnzimmer ein. Der Raum war riesig und voller luftiger Eleganz. In der Mitte erhob sich eine große, schneeweiße Sitzlandschaft aus teuren Rolf-Benz-Sofas. Die hohen Fenster gaben den Blick in den Garten frei, dessen Dunkelheit von dezenten Strahlern erleuchtet wurde. An den Wänden hingen einige wenige, übergroße, moderne Gemälde. Giandomenico hätte seine Freude gehabt. Friede seiner Asche.
    Hoch-Tief-Heinz öffnete den Barschrank und bot mir ein Glas seines unumgänglichen Whiskeys an. Ich mag keinen Whiskey, man muss wohl ein Mann sein, um diesen strengen, rauchig-herben Geschmack ertragen zu können. Aber für solche Fälle hatte mein Heinz auch einen gekühlten Champagner zur Hand. Kein Problem!
    Es sei eine anstrengende Zeit für ihn, eröffnete er das Gespräch, nachdem wir in mit respektablem Abstand voneinander entfernten Sofas versunken waren. So viele Termine, die ganzen Karnevalsverpflichtungen, aber da könne man ja nichts machen, bis Ende Februar würde das noch so gehen, dann, nach den großen Umzügen, wäre es erst mal ruhiger. Es täte ihm leid, mich in den letzten Tagen so vernachlässigt zu haben, das solle sich nun aber ändern, morgen würde er mich gerne zum Essen ausführen. Schließlich müssten wir uns ja endlich auch ein bisschen näher kennenlernen. Klar, warum auch nicht.
    Er lullte mich noch mit ein bisschen Blabla ein, parlierte über die neue U-Bahn-Trasse und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergaben, dieses ohnehin diffizile Bauwerk auch noch im Untergrund einer bestehenden Stadt durchzuführen. Da durfte ja nichts schwächeln, die stabile Statik der vorhandenen Baustrukturen sei hier das A und O überhaupt, aber er habe ein tolles Expertenteam, das Tag und Nacht rechnete und ständig kontrollierte, und so weiter, und so weiter.
    Ich war müde, die lahme Spaßgesellschaftssitzung hatte mich schon hinlänglich erschöpft. Deshalb hörte ich gar nicht mehr zu und war froh, als ich so etwas wie „zu Bett gehen“ aus seinem Redefluss heraushörte. Eins musste ich ihm lassen, er hatte sich bisher ausgesprochen anständig benommen. Aber auch ausgesprochen langweilig.
    *
    Am nächsten Abend, ich hatte mich in mein Armani-Business-Outfit geworfen, stand stilgerecht der Maserati vor der Türe. Mein Kavalier empfing mich im Foyer des Hauses und fragte doch wahrhaftig, ob ich gerne selbst fahren würde. Hatte der nun einen Knall? Ich hatte ja noch nicht einmal einen Führerschein! Und da sollte ich gleich mit diesem Geschoss losfahren, das wie ein von einer Hornisse gestochenes Rennpferd reagierte, wenn man das Gaspedal auch nur antippte?
    Diese Tatsache ließ sich allerdings ganz gut für meine Mitleidsnummer nutzen. Mein despotischer Vater hatte es mir nicht einmal erlaubt, einen Führerschein zu machen! Ich war schon ein arg gebeuteltes Wesen und tat mir schon wieder fast selbst ziemlich leid.
    Bei dem schicken Italiener am Rheinufer, zu dem Hoch-Tief-Heinz mich fuhr, drückte ich dem bereitstehenden Kellner etwas beschämt die schäbige Winterjacke in die Hand. Die Peinlichkeit der Situation entging meinem Tischherren nicht, er lächelte gönnerhaft

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