Wie die Libelle in der Wasserwaage
Corinna mit Herbert das gleiche Spielchen trieb. Doch weder sie noch ich schienen Erfolg bei unseren Bemühungen zu haben, einen Flirt vom Zaun zu brechen. Waren die Kerle denn so abgestumpft?
Am Abend, nachdem wir hungrig nach Castellammare zurückgekehrt bei einem Straßenimbiss ein Stück viel zu dicke Pizza verschlungen hatten, hatte ich gehofft, wir würden alle noch ein bisschen zusammensitzen, vielleicht ein Gläschen Wein trinken, das die Stimmung auflockern würde, doch Willy zog sich mit der Begründung, er sei müde, schon früh zurück. Und ich blieb im Kreis der anderen und vor allem bei Hagen, der seine Anzüglichkeiten kaum im Zaum zu halten wusste und offensichtlich auf Beute aus war. Zu allem Überfluss durfte ich mit ansehen, wie Corinna ihrem Herbert weiter schöne Augen machte. Mann, war das ätzend! Reine Zeitverschwendung, also ging ich auch ins Bett.
*
Am nächsten Tag erklommen wir den Vesuv. Das Teil ist ganz schön hoch und hat einen gewaltigen Krater, in dem aber so gut wie nichts passiert. Nur ein paar müde Rauchwölkchen gibt er von sich, geradezu lachhaft. Beeindruckender sollte die Aussicht von hier oben sein, über Neapel mit seinem Hafen, die hässlichen Wohnkonglomerate und das Meer, so hatte es unser Dozent jedenfalls vorab angekündigt. Leider war es aber jetzt im Sommer total diesig, die heiße Luft vermengt mit dem faulig-gelben Smog des Ballungsgebietes mischten sich zu einem undurchsichtigen Nebel des Grauens. Sollte da etwas Schönes im Tal liegen, es war vor unseren Blicken verschlossen.
Wir kraxelten am Saum des Kraters herum, sammelten Tuff und vulkanische Bömbchen, suchten Minerale und langweilten uns schließlich. Spektakulär war anders. Also stiegen wir wieder ins Tal hinab.
Am Abend hatte ich mehr Glück, Willy war offensichtlich nicht müde. Wir saßen alle zusammen, tranken und quatschten. Mann, der hatte einen Zug am Leib! Er und Hagen konnten unglaubliche Mengen in sich hineinschütten. Ich war ehrlich beeindruckt. Aber das schreckte mich nicht weiter ab. Wir sind ja alle nur Menschen und jeder hat sein Laster.
Zwar kam ich auch an diesem Abend nicht wirklich weiter, doch war der Abend insofern fruchtbar, als unsere Gruppe beschloss, die hässliche Herberge am übernächsten Tag zu verlassen und für den Rest der Zeit etwas Besseres zu suchen. Der nächste Tag war schon verplant, wir beabsichtigten, die Ausgrabungen von Pompeji zu besichtigen. Zwar war das nicht direkt eine geowissenschaftliche Exkursion, indirekt aber schon, denn die Folgen eines Vulkanausbruches plastisch anzusehen bildet ja auch weiter. Am übernächsten Tag stand Herkulaneum auf der Liste, ein ebenfalls im Jahre 79 verschüttgegangener Ort, dieser Ausflug war allerdings kein Ganztagsprogramm, also konnte man danach weitersehen.
Unser Dozent schlug vor, an die Amalfiküste zu fahren, dieses herrliche Stückchen Erde, das gleich hinter den brennenden Bergen von Sorrent versteckt lag. Mir wurde übel. Hier lag schließlich auch Ravello, der Ort meiner Niederlage, meines finalen Fiaskos, der Ort, wo meine Hoffnungen als Braut gemeuchelt wurden. Dorthin wollte ich nicht mehr. Nie wieder!
Er kenne da einige Leute, meinte der Dozent unterdessen, die hätten Platz in preiswerten Hütten an den Hängen, gut, es gebe keinen Komfort, aber die Aussicht sei phänomenal. Allemal besser jedenfalls, als hier in Castellammare, wo sie sich auf den staubigen Hinterhof zwischen ein paar Wohnsilos beschränkte.
Unsere Pläne für die nächsten Tage würden uns doch aber an unseren gegenwärtigen Standpunkt binden, wandte ich ein, es sei doch viel bequemer, von hier zu starten. Zaghaft wollte ich meine Gegenargumente fortspinnen, aber ich kämpfte auf verlorenem Posten. Niemand meiner Reisegefährten wollte an diesem trostlosen Ort verweilen. Am lautesten verlangte Corinna nach Veränderung. Jedenfalls unterstützte sie unseren Dozenten mit Begeisterung.
Meine Argumente griffen nicht. Nach der Herkulaneum-Tour war für die restlichen Tage unserer Reise noch eine Exkursion nach Capri mit Besuch der Blauen Grotte geplant, danach ein Tag mit Kartierungsübungen im freien Feld, für den es keinen im Voraus festgelegten Ort gab. Die letzten Tage sollen mit der Auswertung und Aufarbeitung des Gesehenen verbracht werden. Das ließe sich freilich viel angenehmer in einer ansprechenden Umgebung gestalten. Ich wurde klar überstimmt.
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Das Quartier an der Amalfiküste war ein altes Bergbauerngemäuer, ziemlich
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