Wie die Libelle in der Wasserwaage
gewichen war. Aber nie war mir übel, nie fühlte ich mich körperlich angeschlagen oder dergleichen, wie ich es in den Berichten anderer Schwangerer im Internet las. Nichts davon machte mir zu schaffen, nur meine eiserne Gefangenschaft im italienischen Familienglück.
Ich taufte mein Kind Bimbi. Denn noch wusste ich nicht, ob es ein Junge oder ein Mädchen werden würde. Zwar hatte ich im Internet nachgelesen, dass man das schon seit Ende November mithilfe von Ultraschall hätte feststellen können. Doch der Arzt, der mich ab und zu kurz untersuchte, verfügte nur über ein altmodisches Stethoskop und ein Blutdruckmessgerät. Damit konnte er wohl schwerlich genauere Befunde erstellen. All der Schwangerschaftszauber, verbunden mit bizarren Ultraschallbindern, aufwändiger Pränataldiagnostik, Geburtsvorbereitungskursen, Schwangerschaftsgymnastik und Klinikbesichtigungen, von dem ich auf deutschen Webseiten las, blieb mir verschlossen. Diese abgeschiedene Region, so schön sie landschaftlich auch sein mag, ist in jeder Hinsicht völlig zurückgeblieben. Ich hätte auch gleich irgendwo im tiefsten Afrika sein können.
*
Am 3. März berichteten die italienischen Nachrichten ganz beiläufig und nebensächlich von einer Katastrophe, die sich im fernen Deutschland abgespielt hatte: Das Historische Archiv der Stadt Köln war beim Bau der Nord-Süd-Stadtbahn zusammen mit zwei danebenliegenden Wohnhäusern eingestürzt. Unmittelbar vor dem Gebäude hatte sich eine fünfundzwanzig Meter tiefe Baugrube befunden, in die am frühen Nachmittag Grundwasser eingebrochen war. Gerade noch rechtzeitig hatten die Bewohner der Häuser und die Besucher des Archivs gewarnt werden können, trotzdem gab es zwei Tote.
Ich dachte an Hoch-Tief-Heinz. Er war am Bau der U-Bahn-Trasse beteiligt gewesen. Inwiefern mochte dieses Desaster auch ihn betreffen?
*
In diesen Tagen, Anfang März, wurde es endlich freundlicher, der Regen ebbte ab. Die Sonne kam hervor und brachte die Küste im Handumdrehen zum Grünen und Blühen. Es war herrlich. Mich zog es mit aller Macht nach draußen.
Obwohl es schon Abend wurde, überredete ich meinen Mann schließlich, endlich noch einmal eine Ausfahrt mit dem Cabrio zu machen, die fulminante Küstenstraße entlang. Wenn wir sonst schon nichts hatten, mussten wir doch wenigstens das genießen!
Gut, wenn ich das nun unbedingt wollte, ich, seine dolce principessa , dann müssten wir es natürlich tun, meinte er, und dann begann er, sich in die Kurven zu legen. Kurze Zeit später lag er am Abgrund.
*Epilog*
Das ist nun fünf Jahre her. Kaum zu glauben, wenn ich mir meine süße kleine Cora so ansehe, dass sie am fünfundzwanzigsten Mai schon fünf Jahre alt wird. Ach so, Bimbi ist ein Mädchen geworden, und Bimbi ist ja auch kein richtiger Name. Deshalb habe ich sie Cora genannt. Abgesehen davon, dass mir der Klang des Namens gefällt, schwingt auch ein bisschen Verwegenheit darin mit. Etwas Kraftvolles, Mutiges und Starkes, gemischt mit temperamentvoller Weiblichkeit. So etwa wie bei einer Amazone.
Eine lange Tradition hat dieser Name auch, Persephone, die griechische Göttin der Unterwelt, trug zusätzlich den Namen Kore. Im Altgriechischen bedeutet das „Mädchen“. Für die alten Römer war cor das Herzchen. Und ein herziges Mädchen ist ja keine schlechte Sache.
Davon abgesehen ist Cora eine Kurzform von Corinna. Damit ehrte ich meine alte Kommilitonin, die inzwischen ihr Studium erfolgreich abgeschlossen und eine gut dotierte Stelle beim Geologischen Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf angetreten hat. Nebenbei arbeitet sie an ihrer Doktorarbeit, und wie ich sie kenne, wird sie mit Sicherheit nichts irgendwo abkupfern. Mit Herbert ist sie schon lange nicht mehr zusammen, es hat dann doch einfach nicht gepasst, wie sie mir in einer ihrer regelmäßigen, langen E-Mails erzählte. Herbert hat sein Studium schon vor vier Jahren abgeschlossen und arbeitet jetzt im südafrikanischen Bergbau. Vermutlich beschäftigt er sich mit dem Schürfen von Blutdiamanten.
Corinna hat uns bisher jedes Jahr in den Ferien besucht, beim letzten Mal mit ihrem derzeitigen Freund, einem Chirurgen vom Universitätsklinikum Düsseldorf. Sie ist eine treue Seele und wäre für Cora, die sie aufrichtig liebt, die ideale Patentante gewesen, wenn ich Cora denn hätte taufen lassen. Aber da habe ich mich energisch gegen die italienische Sippe durchgesetzt, womit ich mir zwar keine Freunde schuf, dafür aber
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