Wie die Libelle in der Wasserwaage
sehr motiviert und fröhlich. Nur eine Sache lief recht schnell komplett aus dem Ruder. Den Onkel wurde ich nicht los. Das Gegenteil begann sich herauszukristallisieren, Maria Pilar war seine Traumfrau. Das allerdings war auch nicht schlecht, denn er verlor seine Streitlust und wurde handzahm. Venezolanische Küche, so fand er, sei überhaupt das Großartigste auf der Welt.
Im Januar 2010 wurde Maria Pilar fünfzig. Der Onkel, der nun endlich seinen Namen verdient hat, hielt um ihre Hand an. Er heißt Francesco und liebt sie wirklich. Die Neffen, Antonio und Luca, verehren sie. Die vier sind eine glückliche Familie geworden. Maria Pilar und Francesco leben seit ihrer Hochzeit im Sommer 2010 in Francescos Haus, nur ein paar Treppenstiegen von uns entfernt.
Zu viert bauten wir das Repertoire unseres Restaurants mit Begeisterung, Esprit und Engagement weiter aus. Wir servierten jetzt ein Cross-Over aus italienischer, äthiopischer, venezolanischer und deutscher Küche. Ehrlich, das ist der Knaller. Unsere Spezialitäten sind wirklich phänomenal. Es lief damals auch weiterhin ganz gut. Nicht so gut allerdings, wie wir es verdient hätten. Ich sage jetzt nur, Bauer .
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Im Sommer 2010 ging Salvatore von uns. Es war nicht überraschend, die Ärzte hatten stets mit Leidensmiene davor gewarnt, dass ihn dieses Schicksal jederzeit ereilen könne. Es war also wirklich absehbar gewesen, dass er sterben musste, ich glaube nicht, dass Tafari mit dem Zar geredet hat, um die Sache zu beschleunigen. Es wäre zumindest nicht nötig gewesen.
Wie schade. Der arme Kerl. Bei der Beerdigung gab ich alles. Ich war nämlich wirklich traurig. Was ich ihm angetan hatte, hatte er nicht verdient. Ich mieses Stück. Andererseits hielt ich seine gerade mal einjährige Tochter auf dem Arm. Ich umsorgte sie liebevoll, sie war mein Augapfel. Insofern sicherte ich seine Zukunft. Zumindest in genetischer Hinsicht.
Es war trotzdem in erster Linie eine Erleichterung für uns alle. Wir waren die ständige Sorge um ihn endlich los. Tafari und ich konnten uns jetzt ganz der Entwicklung unseres Restaurant-Projektes, der liebevollen Umsorgung der kleinen Cora und unserer gegenseitigen Leidenschaft widmen.
Außerdem war ich nun eine recht wohlhabende Witwe. Neben den bescheidenen Summen auf meinem deutschen Konto, die ich inzwischen längst auf mein endlich eröffnetes Konto in Italien transferiert hatte, besaß ich ein Restaurant, ein Haus und darüber hinaus die kleine Barschaft, die Salvatore mir hinterließ. Da wäre deutlich mehr möglich gewesen, nur leider hatte sein Leiden auch ein hübsches Sümmchen verschlungen. Alles im Leben hat eben seinen Preis.
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Wenn ich aber gedacht hatte, ich sei endlich angekommen und könne mir dauerhaft ein friedliches Leben einrichten, so wie ich mir das immer gewünscht hatte, dann hatte ich mich gründlich geirrt.
Eines Tages im September 2010 stand plötzlich Gianni in der Restauranttür. Ich war so schockiert, dass ich das Tablett mit Gläsern, das ich in der Hand hielt, fallenließ. Was zum Teufel….??
Gianni lächelte süffisant und machte keine Anstalten, mir beim Aufsammeln der Scherben zu helfen. Die Überraschung sei ihm wohl gelungen, meinte er lediglich trocken. Am liebsten hätte ich ihn auf der Stelle erdolcht. Was bildete der Kerl sich ein?
Ich solle mich doch erst mal setzen, runterkommen und ein Gläschen Wein mit ihm trinken, meinte er. Dann werde er mir alles erklären, keine Sorge.
Weder stammte er aus Ravello noch hatte er je die Absicht gehabt, mich zu heiraten. Er war in Eboli, einer Kleinstadt östlich von Salerno geboren, da, wo alle eine große Familie sind, falls ich verstünde, was er meinte. Eboli, das kam mir bekannt vor. Cristo si è fermato a Eboli . Christus kam nur bis Eboli. Da gab es vor langer Zeit mal einen Roman dieses Namens, der sich mit der haarsträubenden Armut in Süditalien auseinandergesetzt hatte. In dieser Umwelt musste man wohl mit allen Mitteln kämpfen, um zu überleben. Doch Gianni riss mich aus meinen Gedanken.
Giandomenico sei sein Partner in Rom gewesen, der Ärmste, Gott hab ihn selig. Ich solle ihm doch bitte nicht böse sein, aber meine Verbindungen zu Diplomatenkreisen seien den beiden damals geradezu ideal erschienen, um ihre kleinen Nebengeschäfte abzuwickeln. Das müsse ich doch verstehen. Außerdem hätte ich ja auch finanziell von dem kleinen Arrangement profitiert. So ein mieses Schwein!
Ich ließ seine Rede kühl an mir abtropfen und
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