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Wie die Libelle in der Wasserwaage

Wie die Libelle in der Wasserwaage

Titel: Wie die Libelle in der Wasserwaage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almut Irmscher
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und mit brachte sich auch Tafari in unserem Restaurant ein. Er bereitete seine äthiopischen Spezialitäten, die ich unseren Gästen nicht explizit als solche, sondern als leckeres, ausgefallenes Tagesgericht anpries. Auf diese Weise waren sie dazu bereit, es auszuprobieren, und siehe da, es schmeckte ihnen! Einem als solches bezeichneten Essen aus Äthiopien hätten sie niemals eine Chance gegeben. Womit wir wieder bei der Sache mit dem Bauern sind, der nicht frisst, was er nicht kennt.
    Tafari und ich hatten im Grunde eine passabel gute Zeit, wenn wir auch viel arbeiteten. Und wenn da nicht der Kranke im Erdgeschoss gewesen wäre. Salvatore tat mir nämlich in seinem beklagenswerten Zustand ehrlich Leid. Und ja, mich plagte mein schlechtes Gewissen. Deshalb sorgte ich dafür, dass es ihm an nichts mangelte.
    *
    Ich konnte nicht damit aufhören, immer wieder an Heinz zu denken. Mit ihm hatte ich schließlich auch kein besonders freundliches Spiel gespielt. Und nun war er vielleicht in der Klemme. Denn ich verfolgte aufmerksam die Berichterstattung über das Kölner Einsturzdrama, im Zuge dessen die Staatsanwaltschaft mit Recherchen befasst war. Ich hatte keine Ahnung, inwieweit seine Firma an den Ungereimtheiten und Schludereien, die nach und nach ans Licht zu treten begannen, beteiligt war. Sollte er involviert sein, so täte mir das leid. Er war schließlich ein netter Kerl.
    Deshalb schickte ich ihm irgendwann eine E-Mail und erzählte ihm, dass ich noch in Italien sei. Ich berichtete ihm von meiner Ehe, meinem Kind, dem Restaurant und natürlich auch von dem schrecklichen Unfall meines Mannes. Und selbstverständlich beteuerte ich, dass ich meine Schulden ihm gegenüber nicht vergessen hätte, nur durch das tragische Unglück im Moment nicht zahlungsfähig sei. Er antwortete mir nicht.
    *
    Meine Sentimentalität, die vielleicht aus meinen Schuldgefühlen erwuchs, trieb mich auch dazu, einen anderen alten Kontakt aufzuwärmen. Ich schrieb eines Tages an Maria Pilar und erzählte ihr von meinem gegenwärtigen Schicksal.
    Sie antwortete sofort mit einer langen Mail und berichtete darin, dass unser Attaché in einen heftigen Disput mit Señor Estevan, seinem ehemaligen Nachfolger in Rom, verwickelt sei, wobei es um Grundsatzfragen der Politik im allgemeinen und der Diplomatie im Besonderen ging, die sie mir nicht näher erläuterte. Wohl machte sie Andeutungen dahingehend, dass Señor Estevan einen Pick auf unseren Attaché hatte, seit er offensichtlich seinetwegen wegen gerüchteweise verbreiteten erpresserischen Gehabes gegenüber einer vermeintlichen Tochter in Verruf geraten sei.
    Señor Estevan war zwischenzeitlich unglücklicherweise auf der Karriereleiter emporgestiegen und zum Vorgesetzten unseres Attachés avanciert. Aufgrund der zwischen den beiden herrschenden Scharmützel hatte Señor Estevan kurzerhand die Versetzung unseres Attachés an die Botschaft in Saudi Arabien bewirkt, wo er nicht nur in einer rangniederen Position arbeiten müsse, sondern wo auch die Frauen der Familie sich den repressiven Regeln des Landes würden anpassen müssten. Seine Frau beabsichtige deshalb, sich mit den beiden Kindern auf das Anwesen ihrer Eltern an der venezolanischen Küste, irgendwo bei der Stadt Maracaibo, zurückzuziehen, wo aber ihre, Maria Pilars, Dienste nicht gebraucht würden. Ihr bliebe deshalb nur die Option, mit unserem Attaché nach Riad zu gehen, die Versetzung finde zum ersten Dezember statt. Die Ärmste. Saudi Arabien, was für ein Mist. Dort durften Frauen noch nicht einmal Autofahren, geschweige denn, sich außerhalb der Diplomatenghettos frei in der Öffentlichkeit bewegen. Konnte ich das zulassen?
    Ich überlegte nicht lange. Auf die Dauer betrachtet war es mir eigentlich ganz lieb, den Küchenonkel loszuwerden. Wir stritten uns nämlich immer öfter, weil er meinte, grundsätzlich alles besser zu wissen. Einen Ersatz für die beiden Neffen in der Bedienung würde ich schon finden. Deshalb bot ich Maria Pilar kurzerhand einen Job im Restaurant an und beschloss, alles andere der Zeit zu überlassen. Gemeinsam mit Tafari würden wir Onkel und Neffen schon rausekeln.
    Maria Pilar überschlug sich vor Dankbarkeit und nahm das nächste Flugzeug nach Neapel. Sie bezog Salvatores alte Wohnung über dem Restaurant und richtete sie in kürzester Zeit und mit wenig Aufwand gemütlich ein. Wir erweiterten unsere Speisekarte um Pabellon Criollo.
    Unsere gemeinsame Unternehmung entwickelte sich von Anfang an

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