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Wie die Libelle in der Wasserwaage

Wie die Libelle in der Wasserwaage

Titel: Wie die Libelle in der Wasserwaage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almut Irmscher
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sagte ihm ins Gesicht, was ich von ihm hielt. Dann fiel mir das Bild ein, das er von mir gemalt hatte. Warum hatte er es damals mitgenommen, wenn ich ihm nichts bedeutete? Er lachte höhnisch auf. Sein Capo, sein Chef bei der Familie, ich verstünde schon, habe das Bild so gut gefunden. Er wollte es unbedingt haben, da hätte er es ihm geschenkt. Man muss sich ja untereinander gut stellen.
    Meine Empörung war grenzenlos. Ich war drauf und dran, ihn rauszuwerfen, da fiel mir ein, dass es doch recht merkwürdig von ihm war, mich hier aufzusuchen. Woher wusste der Kerl denn überhaupt, wo er mich finden konnte?
    Wieder bedachte er mich mit dieser spöttischen Miene. Diese dumme Frage zeige nur, wie ahnungslos ich doch sei. Was die Familie wissen wolle, das erfahre sie auch. Wenn ich mir einbildete, Geheimnisse vor ihm und seinem Clan haben zu können, dann sei ich ein ganz schön dummes Schaf. Ja, das war ich wohl. Ich holte erst einmal tief Luft.
    Natürlich habe sein Besuch einen Grund, fuhr er fort. Von mir persönlich wolle er gewiss nichts, aber mein Restaurant habe sein Aufsehen erregt. Eine schicke Sache sei das. Endlich mal was anderes als die ewige italienische Einheitskost. Deshalb sei er gekommen, um mit mir Geschäfte zu machen. Auf der einen Seite werde er dafür Sorge tragen, dass mein Laden von jetzt ab so richtig brummte, so wie er es verdient hätte. Denn seine Leute hatten unser Restaurant schon mehrfach aufgesucht und inkognito inspiziert. Aus diesem Konzept könne man etwas machen. Er würde seine Fäden ziehen, und schon wolle alle Welt bei uns essen. Ganz einfache Sache.
    Der Haken dabei war auch eigentlich kein wirklicher Haken. Schutzgeld wollte er nicht, nein, wie billig sei das denn? Er hatte da etwas anderes im Visier, wenn unsere Einnahmen nun so exorbitant steigen würden, dann könnten sie gut auch noch weiter steigen. Bis ins Uferlose, quasi. Dafür würde er schon sorgen und regelmäßig Umschläge mit hübschen Summen in bar bei mir abliefern. Der Staat würde ja davon profitieren, wenn wir gute Einnahmen hätten und ordentlich Steuern zahlten, nicht wahr? Und von diesen zusätzlichen Erlösen, zumindest guten Teilen davon, würde ich ihm in Zukunft seine Bilder abkaufen. Eine ordentliche Provision würde selbstverständlich auch für mich bei dem Geschäft abfallen.
    Francus Ticker nachzumalen hätte er nicht mehr nötig, darüber wäre er hinaus. Seine eigenen Bilder seien jetzt gutes Geld wert, da sei ich doch gewiss ganz seiner Meinung.
    Naja. Spielte das überhaupt eine Rolle? Wohl kaum. Und hatte ich eine andere Wahl? Eher nicht. Wer will sich schon mit der Mafia anlegen?
    *
    Der Hund hielt sein Versprechen. Unser Restaurant war schlagartig so ausgebucht, dass wir Tische Monate im Voraus reservieren mussten. Wir wurden über Nacht das Szene-Restaurant in ganz Kampanien, alle Welt wollte bei uns essen. Es war nicht zu fassen. Wir gestalteten sogar unsere Speisekarte um, in einen italienischen, einen deutschen, einen venezolanischen, einen äthiopischen und einen Cross-Over-Part, etwas, was wir uns vorher nie getraut hätten. Wegen des Bauernsyndroms.
    Aber plötzlich speisten alle Pabellon Criollo und Injera mit äthiopischen Spezialitäten. Sogar meine Rinderrouladen, der Sauerkrautauflauf nach dem Rezept meiner Oma, mein Sauerbraten an Schokoladensauce, die Kohlrouladen und – man höre und staune – der norddeutsche Labskaus wurden zum Renner. Wir mussten zusätzliches Personal einstellen und entwickelten uns zum wichtigsten Arbeitgeber unseres Dorfes. Das wiederum verschaffte uns hohes Ansehen und Respekt. Man begann, uns zu hofieren. Pfarrer und Bürgermeister waren unsere regelmäßigen Gäste.
    Giannis Bilder hängte ich zunächst im Restaurant auf. Sie waren schließlich nicht schlecht. Als es immer mehr wurden, tauschte ich sie aus und brachte den Rest in den Keller. Irgendwann war der Keller ziemlich voll. Heute habe ich nebenbei ein kleines, schickes Ladenlokal in Positano, das Salvatores kleine Schwester für mich führt. An die Touristen lassen sich die Bilder nämlich echt gut verschachern. Die kaufen einfach blindlings alles, wenn sie unterwegs sind. Natürlich zahlen sie nicht im Entferntesten die Preise, die ich selbst an Gianni abdrücken muss. Und trotzdem geben die Bilder ein ganz gutes Nebengeschäft ab. Auf jeden Fall besser, als im Keller vor sich hinzuschimmeln. Ich denke, demnächst eröffne ich ein weiteres Geschäft in Amalfi.
    Offiziell vor dem Fiskus

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