Wie die Madonna auf den Mond kam
stoppte ihn Karl Koch und wendete sich an Kora. »Es wird höchste Zeit, dass dir jemand dein Lügenmaul stopft. Wie kommst du dazu, unserem Kaufmann und Schankwirt Ilja zu unterstellen, er könne nicht lesen?«
Kora errötete wie ein Puter und kochte vor Wut. »Der Botev täuscht uns alle. Er legt uns rein. Ich habe nicht gelogen. Das Lesen muss er heimlich gelernt haben. Alles, was ich über die Barbu gesagt habe, stimmt. Ich schwöre! Ich schwöre beim Leben meiner Mutter Donata!«
»Nun gut«, meldete ich mich wieder zu Wort, »dann kannst du ja endlich meine Fragen beantworten, an statt vor allen Leuten meinen belesenen Großvater zu beleidigen. Was ist? Hast du nun mit Angela Barbulescu gesprochen, nachdem sie aus dem Pfarrhaus kam?«
Kora verneinte.
»Und hast du mit Pater Johannes geredet, nachdem die Lehrerin das Pfarrhaus verließ?«
Die Konstantin verneinte abermals.
»Woher willst du dann wissen, dass Angela Barbulescu den Pfarrer aufgesucht hat, um zu beichten? Wenn du selber nicht mit Johannes Baptiste gesprochen hast, woher willst du das dann wissen? Ich habe mich erkundigt. Für einen geweihten Priester gilt das Beichtgeheimnis auch dann, wenn er einem Sünder nicht die Lossprechung von seiner Schuld erteilt. Niemals hätte Johannes Baptiste darüber gesprochen, was ihm jemand im Vertrauen mitteilt.«
Gemurmel wurde laut, Kora begann sich zu winden, stierte abwechselnd zu Marku und zu dem Küster Knaup. Ihre Hals adern schwollen an, ihre Brüste bebten. Dann kreischte sie, dass die Kirchenversammlung vom Hall ihrer heiseren Stimme erzitterte.
»Ich weiß es! Ich weiß es! Ich weiß es! Und ich schwöre beim Allmächtigen, dass ich die Wahrheit sage.« Kara warf sich zu Boden, zuckte mit allen Gliedmaßen und grunzte wie ein abgestochenes Schwein, wie sie es öfter tat, wenn sie meinte, sich der Angriffe des Dämons erwehren zu müssen. Einige Männer packten sie kräftig bei den Armen, richteten sie auf und schüttelten sie. Karl Koch versetzte ihr eine schallende Ohrfeige.
Kara sank in sich zusammen und heulte: »Aber wenn ich es doch weiß.«
»Woher?«, fragte ein Dutzend Stimmen zugleich.
»So wahr mir Gott helfe. Es gibt eine Person, die hat das Gespräch zwischen Pater Johannes und der Barbu gehört. Eine Person, die nicht an das Beichtgeheimnis gebunden ist.« »Und wer zum Teufel soll das sein?«, Karl Koch fragte stell vertretend für alle Anwesenden.
Der Name, den Kara Konstantin in den Kirchenraum schleuderte, traf die Bewohner aus Baia Luna wie ein Keulenschlag. »Fernanda Klein. Die Haushälterin hat mir alles erzählt.« Schlagartig wurde es still in der Kirche. Alle schauten sich betreten an. Niemand zweifelte, dass Kara Konstantin in diesem Moment die Wahrheit sagte. Und niemand vermochte sich vorzustellen, dass Fernanda, die treue Seele ihres Pfarrers, zu so etwas fähig gewesen war. Auch ich war so bestürzt, dass ich mir mit der Faust gegen den Kopf schlug, um einen klaren Gedanken zu fassen. Dann trat ich auf die Konstantin zu.
»Kara, es ist jetzt sehr wichtig, dass du allen Leuten hier berichtest, was genau Fernanda dir erzählt hat.«
Sie nickte heftig. »Ich sage alles. Genau, wie es war. Nachdem die Barbu aus dem Pfarrhaus kam, habe ich eine Weile abgewartet. Dann habe ich selber die Pfarrei aufgesucht. Nicht aus Neugier. Nein, aber um über die Geschehnisse im Dorf auf dem Laufenden zu sein. Fernanda hat mir die Tür geöffnet und mich sogleich in die Küche gezogen. Ich solle leise sein, hat sie gesagt, um Johannes nicht schon wieder beim Mittagsschlaf zu stören. >Wieso schon wieder?<, fragte ich. Ich musste doch die Unwissende spielen. Fernanda forderte mich auf zu raten, wer gerade zur Unzeit den ehrwürdigen Herrn Pfarrer aufgesucht habe. Ich habe ein paar Namen genannt, da flüsterte Fernanda mir zu: >Es war die Barbu.< Glaubt mir, ich führte manch vertrauliches Gespräch mit Fernanda, und ich weiß, auch der Haushälterin war diese Schlampe ein Dorn im Auge. Auch wenn Fernanda dies nie an die große Glocke gehängt hat. Sie versicherte mir, ohne jede Absicht habe sie mithören müssen, wie die Barbu unseren Pfarrer mit den Worten begrüßte: >Ich bitte Sie, schicken Sie mich nicht fort. Nach aIl diesen Jahren des Hasses muss ich beichten.< Johannes Baptiste hat die Barbu darauf sofort in seine Studierstube gebeten und die Tür zugesperrt.«
In Anbetracht einer solch extraordinären Situation, so führte Kara für ihre gebannte Zuhörer schaft aus, sei
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