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Wie die Madonna auf den Mond kam

Wie die Madonna auf den Mond kam

Titel: Wie die Madonna auf den Mond kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Bauerdick
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es zweifelsfrei verständlich, dass Fernanda Genaueres habe erfahren wollen und ein wenig an der Tür gehorcht habe, ebenfalls nicht aus Neugierde, sondern um dem Pfarrer nötigenfalls bei einem Angriff dieses unberechenbaren Weibes beizustehen. Wie nun im Einzelnen die Barbu ihre Sünden bekannte, darüber habe die Haushälterin kei ne genaue Auskunft geben können, weil das schlaue Weibsstück zu leise gesprochen habe, aber Fernanda habe deutlich gehört, dass Pater Johannes sagte: >Ich kann nicht. Bitte glauben Sie mir. Ich kann nicht, und ich darf nicht! < Daraufhin hat die Barbulescu gefleht: >Aber Sie müssen. Sie müssen, Herr Pfarrer. Bitte sprechen Sie mich frei.<«
    Kara Konstantin blickte in die versammelte Gemeinde, der der Atem stockte. Sie hob die rechte Hand und erneuerte ihren Schwur.
    »Ich möge auf ewig verdammt sein, wenn ich lüge. Fernanda hat mir erzählt, was sie nach Barbulescus Gebettel um die Absolution aus dem Mund des Priesters gehört hat. >Bitte gehen Sie jetzt, Frau Barbulescu. Ich werde für Sie beten. Mein menschliches Verständnis ist mit Ihnen. Aber im Namen des Herrn kann ich nichts für Sie tun.< Der Pfarrer rief sodann nach Fernanda, damit sie die Lehrerin zur Haustür begleite. Pater Johannes wollte der Sünderin sogar in ihren Mantel helfen, was die Barbu aber strikt ablehnte. Sie hatte ihren Mantel gar nicht erst angezogen, sondern nur fest an sich geklammert. Fernanda vermutete, die Barbulescu habe darunter etwas verborgen, etwas, das sie unbedingt vor fremden Blicken schützen wollte. Aber sicher war sich Fernanda nicht, sie erzählte nur, dass die Barbu noch um den Schlüssel zur Bücherei bat, angeblich, um ein Buch auszuleihen. Pater Johannes hat ihr den Schlüssel ausgehändigt mit der Order, ihn zurückzubringen. Fernanda ist im Wissen um die Schludrigkeiten der Barbulescu mit ihr die Treppe hinuntergestiegen, hat die Bibliothek aufgeschlossen und gewartet. Außerdem wollte sie, weil der Schwarze Dimitru Gabor seine Pflicht als selbst ernannter Büchereiverwalter nur nachlässig ausübt, den Namen des entliehenen Buches der Ordnung halber auf ein Kärtchen schreiben. Das war jedoch nicht nötig. Denn die Barbu hat überhaupt kein Buch ausgeliehen. Das könnte Fernanda bestätigen, würde sie noch unter uns weilen. Und hier«, so bekundete Kora Konstantin, »ziehe ich meine eigenen Schlüsse. Warum will diese Angela Barbulescu ausgerechnet am 6. November in die Bücherei, nachdem ihr die Absolution verweigert wird? Was ist der Grund?«
    Als Kora in die betretenen Gesichter der Versammelten starrte, huschte ein hämisches Lächeln über ihre Lippen. Sie wiederholte laut und deutlich: »Was wollte diese Muttermörderin am 6. November in der Bücherei? Ihr schweigt, weil ihr nicht wisst, wie kalt und berechnend das Böse ist. Aber die Barbu wusste es. Als sie die Bibliothek betrat, da hatte sie längst beschlossen, dass unser Priester sterben muss. Von ihrer Hand. Nur, wie sollte sie nächtens heimlich in das Pfarrhaus gelangen? Sie betrat die Bücherei nicht wegen der Bücher. Nein, sie öffnete ein ebenerdiges Fenster, durch das sie gedachte, nachts unbemerkt mit ihrem Messer wieder in das Pfarrhaus zu steigen. Und warum konnte sie das Fenster unbehelligt öffnen? Zufälligerweise am Nachmittag des 6. November? Weil niemand sonst in der Bücherei war! Weil dieser Schwarze Dimitru Gabor nicht seine Pflichten im Kopf hatte, sondern den verfluchten Schnaps zum Geburtstag dieses Botev Ilja, der uns eben mit einer auswendig gelernten Bibelstelle an der Nase herumgeführt hat.«
    Ich verließ die Kirche.
    »In diesem Dorf sind alle verrückt. Und du gehörst zu ihnen«, hatte Fritz Hofmann mir an den Kopf geworfen, wenige Augenblicke, bevor er das Ewige Licht in der Pfarrkirche ausblies. »Ob in diesem toten Nest eine kleine Lampe brennt oder nicht, was macht das für einen Unterschied?« Für Fritz machte es keinen mehr. Mein Leben jedoch teilte dieses Licht in die Zeit vor und nach dem Verlöschen. Das Dunkel in der Kirche war für mich zwar nicht Ursache, doch es stand in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang unheilvoller und gefährlicher Verkettungen. Der Mord an dem Priester, die undurchsichtige Selbsttötung der Angela Barbulescu, die gestohlene Madonna vom Ewigen Trost und die wahnhaften Hirngespinste der Kara Konstantin hatten Baia Luna verändert. Selbst am hellen Tag herrschte die Schwärze der Nacht. Mein einziger Lichtstrahl war Buba. Doch wann ich sie

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