Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie die Madonna auf den Mond kam

Wie die Madonna auf den Mond kam

Titel: Wie die Madonna auf den Mond kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Bauerdick
Vom Netzwerk:
Großvater hat mit der Rechnung bewiesen, dass er Eigentümer des Gerätes war.«
    »Ich versteh das alles nicht. Aber sag mal ehrlich, wofür braucht man denn in Baia Luna ein Rotlichtlabor?«
    »Dorffeste, Hochzeiten, Passbilder, Porträts«, sagte ich. »Ich würde gern das Leben im Dorf fotografieren und die Bilder dann verkaufen. Der Weg nach Kronauburg ist zu weit, und Foto Hofmann macht zwar gute Arbeit, ist aber zu teuer.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, wie du mit Fotos hier in diesem Kaff Geld verdienen willst. Aber wenn du meinst. Jetzt, wo der Fotograf Hofmann keine Konkurrenz mehr ist.« »Was meinst du damit?«
    »Ihr wisst hier oben aber auch gar nichts. Motorradunfall. Unten bei Campina.«
    Ich erbleichte. »Lebt Herr Hofmann nicht mehr?«
    »Stand doch riesig in der Zeitung: Meisterfotograf tot. Auf gerader Strecke. Tempo hundertzwanzig. Voll unter einen Militärlaster. Ohne Helm. Den Kopf haben sie erst nach Stunden gefunden. Der lag dreißig Meter weiter in einem Maisfeld. Sauber abgetrennt. So stand es jedenfalls im Kronauburger.«
    »Aber wie konnte das passieren? Und wann?«
    »Ich weiß nur, was in der Zeitung stand. Zu hohe Geschwindigkeit und dann die Kontrolle verloren. Wann das passiert ist? Ich glaube, vorletzten Sonntag, einen Tag nach dem großen Parteigetöse in der Stadt.«
    Mir wurde schwindelig. »Matei, wusstest du, dass Herr Hofmann aus Baia Luna stammte? Sein Sohn Fritz und ich waren Schulkameraden.«
    »Nein, das ist mir neu. Ich kannte Hofmann nur aus der Zeitung. Der verkehrte in höheren Kreisen. Ich habe ihn ein paarmal in der Stadt gesehen, auf dem Weg in den Karpatenstern. Ist nicht meine Welt. So schnieke. Wie man hörte, war Hofmann ziemlich dicke mit unserem Parteibonzen Stephanescu. Obwohl, jetzt, wo ich überlege ... Beim Tag der Partei war ich auch auf dem Markt, weißt du, umsonst essen und trinken, da hab ich mit meinen Kumpels richtig zugelangt. Wir sind sogar geblieben, als die bescheuerten Reden gehalten wurden. Da stand Stephanescu auf dem Podest neben unserem Staatspräsidenten. Aber Hofmann war nicht da. Der wäre aufgefallen, weil er immer so ein affiges Getue um die hohen Herren gemacht hat. Aber an dem Samstag war er nicht auf der Bühne. Eine hübsche Fotografin, so eine Blonde, die hat ständig geknipst.«
    Als ich schwieg, fuhr Matei fort. »Wenn Hofmanns Sohn dein Kamerad war, kein Wunder, dass dich der Tod mitnimmt. Die Zeitung war auch voller Nachrufe. Seitenlang. Der größte war von Stephanescu.«
    »Was stand darin?«
    »Irgendwas von ewiger Freundschaft über den Tod hinaus. Wenn du mich fragst, für meinen Geschmack alles ein bisschen zu sülzig. Wenn du verstehst, was ich sagen will?«
    »Nein, nicht so richtig.«
    »Wie soll ich sagen: Die Beileidsanzeige wirkte übertrieben. Irgendwie unecht. Das magische Auge des Meisters, ein Leben für das Lichtbild, der unbestechliche Blick eines großen Künstlers und so. Und dass Hofmann für immer weiterexistieren würde in seinen Bildern, all so ein Zeug. Dabei pfiffen doch die Spatzen von den Dächern, dass seine Assistentinnen die Fotos machten. Er war ein Bonzenschleimer und hat die Politkader so abgelichtet, wie sie sich selber gern sehen. Solides Handwerk, sicher. Aber wo ist da die Kunst?«
    »Ich kann das nicht beurteilen. Aber warum kommst du extra aus Kronauburg hierher, um uns zu warnen?«
    Matei schaute erstaunt. »Aber das ist doch selbstverständlich. Vielleicht brauche ich auch einmal Hilfe. Lasst euch was einfallen, wenn dieser Raducanu kommt. Der ist mit allen schmutzigen Wassern gewaschen.«
    Als Matei sich verabschiedete, um in Apoldasch noch pünktlich den Abendbus nach Kronauburg zu erreichen, tat es mir leid, dass ich Gheorghe Gherghels Neffen misstraut hatte, anstatt mich zu bedanken und ihm die Freundschaft anzubieten.
    Ich stand allein. Ich hatte Öl in ein Feuer gegossen, das nun aufloderte und mich selbst zu verzehren drohte. »Haltet die Flamme klein. Sonst habt ihr hier ein Feuer, das euch verbrennt«, hatte Kommissar Patrascu nach der Ermordung des Priesters Johannes Baptiste geraten. Der Capitan mit den drahtigen Haaren hatte seinen Ruhestand nicht genießen können. War er wirklich das Opfer seiner maßlosen Zigarettenqualmerei? Und jetzt Heinrich Hofmann. Mich beschlich eine böse Ahnung. Ich hatte mit den Fotografien an den Schaufensterscheiben auf Stefan Stephanescu gezielt. Doch hatte ich womöglich Heinrich Hofmann getroffen? Wer auch immer die Bilder entdeckt

Weitere Kostenlose Bücher