Wie die Madonna auf den Mond kam
hatte, man hatte verhindert, dass sie den Kronauburger Parteichef in Schwierigkeiten brachten. Doch wenn Stephanescu von der Plakataktion erfahren hatte, was anzunehmen war, dann würde er seine Leute darauf ansetzen, den Täter und Besitzer des Negativs ausfindig zu machen. Und musste Stephanescus Zorn nicht auch Heinrich Hofmann treffen? Hätte der Fotograf das entlarvende Negativ nicht so sicher aufbewahren müssen, dass niemand die Möglichkeit hatte, es an sich zu nehmen? Hatte die Freundschaft zwischen den beiden da aufgehört, wo Hofmann für den Parteichef zu einem Sicherheitsrisiko wurde? Wieso war Heinrich nicht auf dem Parteitag gewesen? Und ein Motorradunfall, nur einen Tag später? Und das ohne Kopfschutz, wo ich Fritz' Vater niemals ohne Helm auf seiner italienischen Maschine gesehen hatte?
Ich brauchte jemanden, um die drückende Last der Fragen zu teilen. Und die Furcht. Sie waren hinter mir her. Ich war ein Störenfried in den Mühlen der Macht. Die Dinge liefen aus dem Ruder. Doch da war niemand, der mir die Furcht nahm. Fritz lebte in Deutschland. Wusste er bereits vom Tod seines Vaters? Dass er mit seiner Mutter zur Beerdigung seines verhassten Alten nach Kronauburg gereist war, hielt ich für unwahrscheinlich. Ich sehnte mich nach Buba, hätte sie am liebsten bei der Hand genommen, weg, nur weg von hier. Irgendwo in die Berge. Sich durchschlagen. Wie die Aufständischen unten im Walachischen. Oder nach Deutschland. So wie Fritz. Doch ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wo und mit wem Buba lebte. Immer wieder hatte ich bei ihrem Onkel nachgefragt, doch Dimitru hatte tausend Eide geschworen. Er wusste nicht, wohin es seine Nichte verschlagen hatte.
Stephanescu würde seine Schergen nach Baia Luna schicken.
Wenn sie nicht schon längst unterwegs waren. Raducanu würde bald auftauchen. Sehr bald und mit Sicherheit nicht allein. Ein zweites Mal würde ich ihn nicht mit einer billigen Finte loswerden. Es galt zu handeln, und zwar auf der Stelle. Alle Spuren, die vom Schaufenster des Hofmann'schen Fotogeschäftes nach Baia Luna führten, mussten beseitigt werden. Der Tausch des Fernsehers gegen ein Fotolaboratorium und ein Teleskop ließ sich nach Raducanus Besuch bei Gheorghe Gherghel nicht leugnen. Nichts jedoch durfte darauf schließen lassen, dass im Dorf tatsächlich ein Rotlichtlabor betrieben wurde. Von dessen Existenz wussten nur Ilja, Kathalina und Dimitru. Jetzt würde sich zeigen, ob meine Familie nicht nur zusammenhalten würde, sondern auch klug war. Ich rief Großvater, meine Mutter und Dimitru zu einer dringenden Unterredung zusammen. Ich musste etwas von mir preisgeben, ohne dass jemand von meinem gescheiterten Versuch erfuhr, den Kronauburger Parteichef vom Sockel zu stoßen. Als wir zusammensaßen, sprach ich ohne Umschweife meine Mutter an.
»Erinnerst du dich an diese anstößige Fotografie, die du unter der Matratze gefunden hast?«
Kathalina errötete. »Oh ja, erinnere mich nicht daran.« »Und erinnerst du dich auch an den Kerl, der den Schaumwein verspritzt hat?«
Mutter nickte schamvoll. »Warum fragst du mich diese unanständigen Dinge?«
Auch Dimitru hakte sofort nach. »Von was für einem Schweinkram redest du, Pavel? Außerdem solltest du mir erklären, weshalb ich hier sitze.«
»Diese Fotografie zeigte eine unbekleidete Frau und einige halb nackte Männer, darunte r der Kronauburger Parteisekre tär«, erklärte ich. »Das Bild hat damals Fritz Hofmann in einer Umzugskiste seines Vaters gefunden und mir überlassen. Und dieser Doktor Stephanescu hat ein mächtiges Interesse daran, dass dieses Bild niemals vervielfältigt und verbreitet wird. Deshalb lässt er von der Sekurität nach dem Negativ suchen.«
»Ich verstehe nicht«, sagte Großvater. »Sollen sie doch beim Fotografen Hofmann suchen. Was hat das mit uns zu tun?« »Heinrich Hofmann ist vor zehn Tagen bei einem Motorradunfall verunglückt. Er ist tot.«
»Das gibt's doch nicht.« Kathalina schlug die Hände vors Gesicht. »Tot sagst du?«
»Ja. Das Problem ist, die Sekurität denkt, ich sei im Besitz des Negativs. Sie sind hinter mir her.«
»Aber wie kommen die den n da drauf ?«, wollte Ilja wissen. Ich log. »Das weiß ich nicht. Wahrscheinlich, weil ich Fritz gut kannte. Oder auch wegen des Teleskops und des Fotokrams. Ein Labor anzuschaffen, ohne Negative zu besitzen, macht schließlich keinen Sinn. Wie soll ich der Sicherheit erklären, dass wir das Laboratorium für eure Madonnenbilder
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