Wie die Madonna auf den Mond kam
Kronauburg sei es für mich nicht nur kaufmännische, sondern auch patriotische Pflicht, der Partei des Volkes meine Verbundenheit zu bekunden. Wenn schon nicht als aktives Mitglied, dann solle ich doch wenigstens als Zuschauer beim großen Tag der Partei auf dem Kronauburger Marktplatz den Verdiensten der Genossen die gebotene Solidarität zollen.
»Wäre eine Überlegung wert«, sagte ich. »Wann soll die Chose starten?«
»Samstag, heute in zwei Wochen«, antwortete Liviu. »Da kommen Tausende. Essen und Trinken, so viel du willst. Die Partei zahlt. Alles, was Rang und Namen hat, wird dort sein. Wird mit Sicherheit ein unvergessliches Ereignis. Du wirst mich übrigens in der Menge sofort erkennen. Man hat mich wegen vorbildlicher Planerfüllung ausgewählt. Ich werde bei dem Aufmarsch der Kollektive das Banner vom AKA zwo tragen.«
»Von was?«
»Agroindustrieller Komplex Apoldasch zwei.«
Ich versprach, mir die Sache zu überlegen, zumal sowieso eine Fahrt nach Kronauburg anstand, um neue Ware für den Laden einzukaufen. Das ließ sich am Freitagnachmittag erledigen. In der Nacht zum Samstag könnte ich meinen persönlichen Beitrag dazu leisten, dass der Tag der Partei für den Kronauburger Sekretär Stephanescu tatsächlich unvergesslich würde.
»Angebot und Nachfrage regeln den Preis«, musste ich mich vom Wirt des Pofta Buna belehren lassen, der die Tarife für die Strohlager kurzerhand verdreifacht hatte. Ich zahlte, ohne zu murren. Ich war nicht der Einzige, der die Nacht vor dem Parteispektakel in Kronauburg verbringen wollte. Vor der billigen Absteige standen zwei Dutzend beladene Fuhrwerke von HO-Kommissionären, die den Freitag genutzt hatten, ihre Warenbestände im Zentrallager aufzufüllen, um am folgenden Tag auf Kosten und zu Ehren der Partei zu feiern. Ich setzte mich zu den Kaufmannskollegen und bestellte ein Bier, Brot und Mititei, gegrillte Hackröllchen. Wie ich der Stimmung entnahm, hatte niemand etwas an dem Genossenschaftsmodell zu bemäkeln. Im Gegenteil. Die verbesserte Versorgungslage wurde gelobt, ebenso die staatliche Subventionspolitik. Die Einzigen im Land, die ständig klagten und stöhnten, so war zu hören, waren die Bauern. Auf meine Bemerkung, die Partei gehe bei der Kollektivierung schließlich nicht gerade zimperlich zur Sache, hörte ich nur die sattsam bekannte Weisheit, beim Hobeln würden halt Späne fliegen. Als ich nachfragte, ob jemand eine Ahnung über den Verbleib der einstigen Großhändler Hossu habe, erntete ich nur Schulterzucken und missmutige Blicke. Lediglich ein älterer Kommissionär deutete an, in diesen Zeiten sei es ratsam, manche Fragen für sich zu behalten.
Um vorab die Lage vor Ort zu erkunden, schlenderte ich am frühen Abend zum Kronauburger Marktplatz. Die Organisatoren hatten die Fassaden der Häuser mit roten Fahnen und riesigen Nationalflaggen in eine Kulisse propagandisti schen Pomps verwandelt, der mich mit seiner Wucht erschlug. Glaubte man den fünfundzwanzig Meter langen Spruchbändern, dann war die eigene Nation von allen Nationen die fortschrittlichste, friedlichste und produktivste, stets bereit zu überdurchschnittlichen Leistungen. Auf den Parolen wurde aufgewacht, angepackt und aufgebaut, wurden Solidaritäten bekundet, Völkerfreundschaften beschworen, Bündnisse bekräftigt, Revolutionen gefordert und sehr viel gedankt. Dem Vaterland wurde gedankt, den Bruderländern wurde gedankt, den Proletariern aller Länder wurde gedankt und der Internationale gegen Kapitalismus, Imperialismus und Faschismus auch. Vor allem aber dankte die Partei sich selbst im Namen des Volkes.
Auf dem Marktplatz waren Heerscharen von Handlangern mit den abschließenden Arbeiten beschäftigt. Rundfunk- und Fernsehleute bauten ihre Sendeanlagen auf, Ordner rannten mal hierhin und mal dorthin. Nationalarmisten in tarnfarbenen Uniformen lungerten umher, und an jeder Ecke standen Zivilisten in schwarzen Lederjacken, die sich ständig umschauten und irgendetwas in ihre Funkgeräte sprachen. Vor dem HO-Konsum des Volkes waren Zimmerleute dabei, die letzten Bretter an das mächtige Podest der Ehrentribüne zu nageln. Zufrieden stellte ich fest, vom Rednerpult aus blickte man auf die Polizeiwache und das Fotostudio Hofmann. Ich hatte genug gesehen und sprach ein Stoßgebet, bittend, in der Nacht möge der Marktplatz menschenleer sein.
Die Zeit auf der Strohmatte im Pofta Buna verstrich so zähflüssig wie der Kleister, den ich in Baia Luna angerührt und in ein
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