Wie die Madonna auf den Mond kam
rechnen war, dass Raducanu und seine Leute bei der Suche nach dem Fotolabor das ganze Dorf umkrempeln würden, machte ich mich auf den Weg zu den Petrovs, um Petre und seinen Vater Trojan vor einer möglichen Hausdurchsuchung zu warnen. Der Besitz eines Karabiners mit Zielfernrohr, mit dem sie hin und wieder wilderten, hätte die Petrovs in arge Schwierigkeiten bringen können. Die Warnung erwies sich als überflüssig. »Sollen sie in den Bergen suchen, bis sie schwarz werden«, hatte Petre gelacht.
Als ich sicher war, dass Baia Luna schlief, stahl ich mich in die Kirche, schloss den Tabernakel auf und legte die Madonnenbilder und das Foto hinein. Dann klaute ich ein paar angebrannte Opferkerzen und traf mich mit Dimitru in der Waschküche des Pfarrhauses.
Das Laboratorium stand noch genau so dort, wie ich es zwei Wochen zuvor verlassen hatte. Wie erwartet, stank es heftig nach Chemikalien, und wie verabredet, hatte Dimitru aus unserem Laden ein seit Jahren umherstehendes Fläschchen Damenparfüm, Marke » Träume der Nacht«, mitgebracht. Dimitru brannte die Kerzen an, während ich das Kellerfenster aufriss. Danach entsorgte ich die braun-trübe Entwicklerflüssigkeit, spülte das Waschbecken sauber und baute das Vergrößerungsgerät ab. Nach einer halben Stunde waren alle Spuren, die Rückschlüsse auf ein ehemaliges Rotlichtlabor zuließen, beseitigt. Der Zigan schleppte einige verschlissene Matratzen herbei, die im Kellerflur lagen, und verspritzte die» Träume der Nacht«, um die Labordämpfe zu vertreiben. Es roch penetrant nach Rosen. Mich traf ein Stich ins Herz. Dasselbe Parfüm hatte Angela Barbulescu benutzt. Ich sah sie in ihrem Sonnenblumenkleid an einer schwarzen Buche am Mondberg hängen. »Deine letzte Stunde hat geschlagen«, hatte Angela in ihrem Abschiedsbrief an St ephanescu geschrieben. Ein Irr turn. Angela Barbulescu hatte im Leben keine Gerechtigkeit erfahren. Und nach ihrem Tod auch nicht. Und mein Versuch, Stephanescu mit einem entlarvenden Foto zu vernichten, war kläglich gescheitert.
Nach Mitternacht schlichen wir mit den Laborgeräten über den Dorfplatz zum Kirchgarten. Wir standen vor dem Grabloch, in dem vor Jahren der Priester Johannes Baptiste hätte beerdigt werden sollen. Wenig später waren der Bildvergrößerer, Entwicklerschalen und Chemikalienflaschen sowie die Fotokamera, das Teleskop und der Schlüssel zum Waschkeller in dem Loch verschwunden, bedeckt von verrotteten Kränzen, Plastikblumen und verschlissenen Seidenschleifen. Eine Pappschachtel mit Fotografien von röhrenden Hirschen hielt ich zurück, als Teil des gemeinsam ausgeheckten Plans. Dann gingen wir zu Bett. Lupu Raducanu konnte kommen.
Und er kam, am nächsten Morgen um acht. Und wie erwartet nicht allein. Aus drei olivgrünen Geländewagen sprang ein Dutzend Milizionäre, die sich zu Dreiergruppen formierten. »Durchsuchen! Zuerst alle leer stehenden Häuser! «, befahl Capitan Cartarescu.
Die Männer schwärmten aus. Dann schritt Cartarescu mit Major Raducanu schnurstracks auf unseren HO-Laden zu. Der Moment für Kathalinas ersten Auftritt.
Sie öffnete die Tür und trat ihnen entgegen.
»Das wird aber auch Zeit, dass ihr euch endlich blicken lasst. Bringt ihr die Sachen zurück, oder habt ihr die Entschädigung dabei?«
Raducanu und Cartarescu verlangsamten ihre Schritte.
Großvater, Dimitru und ich traten hinzu. Ich herrschte meine Mutter an: »Ich will keine Entschädigung. Ich will mein Labor und meinen Fotoapparat wiederhaben.«
»Und ich mein Teleskop. Gebt es endlich zurück.« Opa machte seine Sache gut. Er wirkte aufrichtig empört.
»Ihr Diebe! «, wetterte Dimitru. »Erst die ganzen schönen Sachen konfiszieren und dann keine Entschädigung rausrücken. Das nennt man Diebstahl, ihr Gesetzesbrecher.« Raducanu verlor die Beherrschung. »Maul halten! «, brüllte er. Immer wieder: »Maul halten!« Seine Stimme überschlug sich. Sein bartloses Gesicht glühte.
Dimitru blieb unbeeindruckt. »Ihr klaut wie die Raben, und hinterher schiebt ihr die ganze Sache wieder den Zigeunern in die Schuhe.« Dann ballte er die Fäuste und rotzte auf den Boden.
Capitan Cartarescu rang um Fassung und griff zu seiner Pistole.
»Alle in den Laden. Alle zum Verhör!«
»Aber ihr habt uns doch vor zwei Wochen schon ausgequetscht. Und nun schon wieder. Das wird allmählich lästig.« Ich spürte, das Theaterstück lief nach Plan.
Major Raducanu verlangte nach einem Aschenbecher und zündete sich eine Kent
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