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Wie die Madonna auf den Mond kam

Wie die Madonna auf den Mond kam

Titel: Wie die Madonna auf den Mond kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Bauerdick
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Marmeladenglas gefüllt hatte. Neben mir schnarchten einige Kommissionäre, ab und zu schnaufte einer der Gäule. Ansonsten war alles ruhig. Irgendwann schlug die Stundenuhr des Paulusdomes viermal kurz und dreimal lang. Ich musste los. Trotz der warmen Temperaturen zog ich meinen Mantel an und kroch unter das Fuhr werk der Kutsche. Die zusammen gerollten Fotografien steckten in einer Pappröhre, die ich an der Vorderachse befestigt hatte. Ich verbarg die Bilder unter dem Mantel. In der einen Tasche steckte das Glas mit dem Klebstoff, aus der anderen Manteltasche lugte eine halb volle Flasche Zuika. Für alle Fälle.
    Eine Viertelstunde später erreichte ich den Markt hinter dem Brettergerüst der Rednertribüne. Die Straßenlampen waren erloschen. Vor dem Eingang des Hotels Goldener Stern standen einige Soldaten. Ihr Gelächter hallte dumpf über den Platz, und der bläuliche Rauch ihrer Zigaretten schwebte im Lichtschein einer Laterne. Ich lauschte, doch außer den gedämpften Stimmen der Soldaten war nichts zu hören. Als ich mich an die drei Fensterscheiben des Fotostudios herangeschlichen hatte, erkannte ich die Soldaten vor dem Hotel recht deutlich. Manchmal schweiften ihre Blicke über den Platz, doch ich war mir sicher, im Dunkel der Nacht unsichtbar zu sein. Ich rollte die Fotos aus, schmierte den Kleister auf die Rückseiten und klebte ein Plakat auf jede der drei Schaufensterscheiben. Die Domglocke schlug halb vier. Die Soldaten waren verschwunden.
    Das Geräusch von schweren Stiefeln auf Kopfsteinpflaster hallte über den Marktplatz, ohne dass ich gen au verorten konnte, von woher. Die Schritte kamen näher. Sie hielten auf mich zu. Ich schloss die Augen und atmete durch. Ein flüchtiges Bild blitzte auf. Buba, mit einem Krug Wasser. Sie reichte ihn ihrem Onkel Dimi, der nur sagte: »Dein Pavel, meine Liebe, der kann die Welt auf den Kopf stellen.«
    Ich griff zu meiner Schnaps flasche und bewegte mich zügig von den Schaufenstern weg.
    »Du! Du, Miststück«, brüllte ich lauthals in die Dunkelheit. »Du miese Hure, du kannst, du ka-ka-kannst mich am Arsch lecken. Jaa-wohl, am Arsch lecken kannst du mich, du billige ... «
    Sofort blitzten einige Taschenlampen auf. Ich hörte, wie jemand den Befehl »Entsichern!« rief. Das metallische Klacken von Maschinenpistolen schallte durch die Nacht. Dann hatten die Soldaten mich im Visier.
    »Stehen bleiben!«
    Ich ignorierte die Aufforderung, reckte die Flasche Zuika in die Luft und schwankte ein paar Schritte nach links und rechts. »Scheiß-Weiber, verdammte Hurenbrut«, lallte ich vor mich hin. Dann blieb ich abrupt stehen, verdrehte die Augen und glotzte die Soldaten an. Ich salutierte mit unbeholfener Geste und streckte den Militärs die Flasche entgegen. »Hoch die heilige Nation. Scheiß-Faschisten! Es lebe Fidel! Viva die Revolution. Trinkt, Genossen, trinkt!«
    Der Kommandoführer trat auf mich zu und packte mich hart am Kragen. »Verpiss dich. Hier ist Sperrzone«, schnauzte er mich an und entriss mir die Flasche. »Hau ab!« Ich trollte mich langsam davon. »Noch so ein besoffener Vollidiot«, hörte ich einen sagen. Ich verdrückte mich in eine Seitengasse. Dann rannte ich.
    Es wurde bereits hell, als ich den Gaul anspannte und der schlaftrunkene Betreiber des Pofta Buna auf mich zutrat. »Wohin so früh? Ich dachte, du wolltest dir noch auf Kosten der Partei den Bauch vollschlagen.«
    »Hat sich erledigt.« Ich schwang mich auf den Kutschbock. »Warte! Du musst noch unterschreiben. Ankunft und Abreise müssen von jedem Gast quittiert werden. Neues Gesetz.«
    »Ich war diese Nacht nicht hier. Hast du verstanden? Ich war nicht hier. Ich habe gestern hier gegessen und bin dann sofort in die Berge zurückgefahren. Hast du kapiert?«
    »Nein«, sagte der Wirt und rieb sich den Schlaf aus den Augen. »Du stehst doch vor mir.«
    Ich setzte auf die Macht der Drohung. »Wenn du irgendjemandem steckst, dass ich diese Nacht in Kronauburg war, dann hetze ich dir die Sicherheit auf den Hals. Was die mit kapitalistischen Preiswuc herern machen, die teure Stroh lager vermieten, kannst du dir wohl vorstellen. Denk an die Hossus.«
    Sofort erbot sich der Kerl, mir den kompletten Übernachtungspreis zurückzuerstatten. »Behalt das Geld!«
    »Danke. Ich kenne dich nicht. Hau ab.«
    Ich gab dem Gaul die Peitsche. Noch vor Samstagmittag erreichte ich Baia Luna.
    Den ganzen Nachmittag harrte ich vor dem Radio aus, aus dem immer wieder über den großartigen Erfolg des

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