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Wie die Madonna auf den Mond kam

Wie die Madonna auf den Mond kam

Titel: Wie die Madonna auf den Mond kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Bauerdick
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ahnungsloser Raketenbauer. Ein neugieriger Wissenschaftler, der bloß wissen will, was da oben auf dem Mond so vor sich geht. Vielleicht ist er tatsächlich kein Deutscher mehr, sondern ein echter Amerikaner, der den Bau von Raketen im Tausendjährigen Reich bereut hat. Er war immerhin der Freund von Kennedy! Der hat den Deutschen schließlich auch verziehen und sie nicht dauernd an die dunklen Zeiten erinnert. John Eff hat sich sogar zum Berliner bekehrt.«
    »Klingt nicht uninteressant, Dimitru«, mischte ich mich ein, mir der Lächerlichkeit meiner Mutmaßungen bewusst. »Aber das würde bedeuten, dass eine ganz andere Macht die Fäden zieht. Weder der Sowjet noch der Ami und auch nicht Wernher von Braun. Jemand im Verborgenen. Jemand, der um jeden Preis verhindern will, dass die Madonna entdeckt wird. Jemand, der die Jüdin Maria wirklich fürchten muss.«
    »Sic est!« Dimitru war überwältigt von der Wucht seiner Erkenntnis. »Ich ziehe die Conclusio. Eine Macht, nennen wir sie hypothesisch X, hat Wörner von Braun für ihre Zwecke benutzt. Ihn möglicherweise ins falsche Mare gelockt. Nicht der Amerikaner, nicht der Sowjet, nicht der Deutsche - keiner von ihnen zieht die Fäden bei der Eroberung des Himmels. Die Vierte Macht, Ilja, ich sag dir, es ist die Vierte Macht, die hinter allem steckt. Und ich sag dir noch etwas: Papa Baptiste wusste es. Diese Macht hat Maria auf den himmlischen Thron gehoben, hat eine Jüdin zur leibhaftigen Regina coelestis des Himmels deklariert, 1950, nachdem man ihr Volk auf der Erde so schändlich im Stich gelassen hat.«
    »Und wer soll diese Vierte Macht sein?« »Na, der Vatikan.«
    Wie überall auf der Welt sorgte die erste Mondlandung auch in Baia Luna für reichlich Gesprächsstoff. Aber nur für zwei Tage. Die drei amerikanischen Astronauten hatten ihren Rückflug noch vor sich, da entflammte das Dorf aufgrund eines ganz anderen Ereignisses in heller Aufregung.
    Eine fabrikneue graue Limousine fuhr in Baia Luna vor. Die großspurigen Ankündigungen des Conducators, unter seiner Führung werde der Bauernstaat Transmontanien zu einer modernen Industrienation gedeihen, war keine hohle Prahlerei. Der erste Mann im Staat hatte Wort gehalten. Die neue Nation besaß ihre eigene Automobilfabrik. »Dacia« prangte in silbernen Lettern auf dem Heck des Wagens, dem zwei Herren in Schwarz entstiegen. Sie grüßten bedächtig, hoben die rechte Hand und senkten den Kopf, mal in die eine, dann in die andere Richtung. Würdesteif stellte sich der Ältere vor als Generalvikar des Bistums Kronauburg.
    »Die Pfarrei von Baia Luna«, sprach er, »wird schon bald geführt von einem neuen Hirten.«
    Zuerst wussten die Umstehenden nicht recht, wie sie auf die Nachricht reagieren sollten, als jedoch die Sachsen anfingen, einander per Handschlag zu beglückwünschen, wurden die ersten Freudenjauchzer vernehmbar, Hüte flogen durch die Luft, bis schließlich ein stürmischer Jubel ausbrach, an dem das Geschrei der Zigeunerkinder nicht unerheblichen Anteil hatte. Die Vertreter des Kronauburger Bischofs genossen die Reaktion mit Genugtuung und baten, den noch jungen Priester namens Antonius Wachenwerther, dem die Berufung den Weg aus dem Österreichischen in die Diaspora gewiesen habe, mit der gebührenden Ehre zu empfangen. Der Tag der feierlichen Amtseinführung finde in gut einer Woche am letzten Tag des Monats Juli statt. Die Männer und Frauen versprachen, bis dahin das Pfarrhaus und die Kirche vom Staub zu befreien und ihr Dorf festlich zu schmücken.
    »Wenn mir gegenüber den hochverehrten Exzellenzen der Hinweis erlaubt ist«, diente sich der Küster Julius Knaup an, »unsere Madonna vom Ewigen Trost wurde schon vor Jahren gestohlen, und das Ewige Licht über dem Tabernakel brennt auch nicht mehr. Und wenn meine Meinung gefragt ist, so waren satanische Mächte in Gestalt eines sündhaften Weibsstücks namens Barbu ... «
    »Du stinkst noch immer nach Rose«, rief Petre Petrov dazwischen, woraufhin die umstehenden Männer sich den Bauch vor Lachen hielten. Die Vertreter der Geistlichkeit schauten verlegen und lachten schließlich mit.
    Bis der Generalvikar ausführte, das erloschene Licht werde pünktlich zum Antritt des Hirtenamtes von Pfarrer Wachenwerther wieder brennen wie in glaubensstarken Zeiten, entzündet mit dem geweihten Feuer einer Altarkerze aus dem Kronauburger Paulusdom. Was den Raub der Madonna angehe, so beobachte das Bistum die steigende Zahl von Diebstählen wertvoller

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