Wie die Madonna auf den Mond kam
könne man an den Farben der Bänder erkennen, ob ein Mädchen ledig, bereits versprochen oder schon verheiratet sei. Ich errötete, als ich fragte, wie es sich in dieser Sache denn bei ihr selber verhalte. Buba antwortete schnippisch, das dürfe sie einem Gadscho wie mir nicht sagen. Dann strich sie ihre schwarzen Locken aus dem Gesicht und flötete: »Mich kriegt nur ein Mann, der schöne Hände hat«, woraufhin ich, warum auch immer, meine Hände blitzschnell in die Hosentaschen steckte und Buba lachend davonrannte.
Sommertags schlenderten die Gabors die Dorfstraße auf und ab oder hockten vor ihren Häusern, wo sie Karten spielten und filterlose Carpatis rauchten. Ihr stolzer Besitz bestand aus ihrem Kindersegen und zwe i Dutzend kräftigen Percheron-P ferden, die am Dorfrand weideten. Im Oktober zogen sie zum Pferdemarkt nach Bistrita, wo sie die Zusammenkunft mit anderen Sippen nutzten, ihre Söhne und Töchter miteinander zu verkuppeln und die Farben ihrer Bänder zu wechseln. Wenn die Gabors nach Baia Luna zurückkehrten, feierten sie tagelang rauschende Hochzeitsfeste, bevor der triste Alltag wieder einkehrte. Im Dorf wurde der Müßiggang der Schwarzen zwar mit argwöhnischen Augen gesehen, aber ohne offene Anfeindungen hingenommen. Selbst von den Deutschstämmigen, die infolge ihres fleißigen Naturells jegliches Nichtstun zutiefst verachteten.
Dass die Herzen der Sachsen nicht in eifernder Frömmelei erstarrten, war dem Wirken von Pater Johannes zu verdanken. Seine Geschichte kannte ich nur ungefähr. Fest stand, 1935, zwei Jahre, nachdem in Deutschland die Hitleristen die Macht ergriffen hatten, wurde Baptiste vom Abt des Benediktinerstifts im österreichischen Melk von der Donau in die Berge Transmontaniens beordert. Sein Orden wollte Bruder Johannes, der damals schon auf die siebzig zu schritt, wohl auf seine alten Tage loswerden.
Nachdem Johannes Baptiste mit Wagenladungen voll theologischer Bücher und philosophischer Schriften in das leer stehende Pfarrhaus von Baia Luna eingezogen war, kursierten im Dorf die abenteuerlichsten Mutmaßungen, an denen sich vor allem der Küster Julius Knaup, die übergewichtige Kora Konstantin und ihre dickleibige Mutter Donata beteiligten. Es hieß, Johannes Baptiste habe mit einem Wiener Freudenmädchen einen unehelichen Bastard gezeugt. Auch erzählte man, trotz quälender Selbstkasteiungen habe er nicht von den Knaben des Stiftchores lassen können. Schlimmer noch galt den Katholiken der Vorwurf, Baptiste sei nach Baia Luna versetzt worden, weil er ketzerische Schmähpredigten gegen den Heiligen Stuhl und Papst Pius in Rom gehalten habe.
Meinem Großvater muss das Gift der Gerüchte damals keine Ruhe gelassen haben. An einem Sonntag im Herbst 1935 fasste er sich ein Herz und fragte den Priester beim Frühschoppen in der Wirtsstube: »Hochwürden, stimmt es, was man über Sie erzählt?«
Johannes Baptistes Antwort sollte als »die Schankpredigt« in die Geschichte des Dorfes eingehen.
Zuerst hatte Pater Johannes schallend gelacht, sich auf die Schenkel geklopft und behauptet, nicht einen Bastard habe er kraft seiner Lenden gezeugt, sondern derlei ein Dutzend. Dann jedoch war der Pater sehr ernst geworden.
»Ja«, sagte er den Männern, »man hat mich zu euch in die Berge geschickt, weil ich meinem Gewissen gefolgt bin und nicht meinem Gehorsamsgelübde gegenüber meinem Orden und dem Vater in Rom.«
Sodann sprach Pater Johannes von einem vertraglichen Abkommen, einem Konkordat, zwischen dem Vatikan und dem Deutschen Reich, dessen Kanzler die Welt in einen gähnenden Abgrund stürzen würde. Die Zeichen des Bösen seien längst an die Wände geschrieben, lesbar für jedermann, doch seine österreichische Heimat sei zu einern Land der Blinden verkommen, seine Landsleute seien geblendet vorn Stolz, dass reines Arierblut in ihren Adern fließe, und besoffen von der Idee, beim Tausendjährigen Reich der Deutschen mitmachen zu dürfen. Anstatt diesem Wahn des Blutes die Macht der päpstlichen Autorität entgegenzustemmen, krieche der Vatikan vor dieser deutschen Verbrecherbande zu Kreuze und buhle um die Gunst des Führers, er möge die Kirche doch freundlich behandeln.
»Aber ich sage euch, dafür hat sich der Herrgott nicht ans Kreuz hämmern lassen, nicht für eine Kirche, die den Teufel bittet, er möge dem Klerus gewogen sein und die Priester in Ruhe lassen. Wer mit dem Satan Geschäfte macht, steht schon mit einern Bein in der Hölle. Genau so wie
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