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Wie die Madonna auf den Mond kam

Wie die Madonna auf den Mond kam

Titel: Wie die Madonna auf den Mond kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Bauerdick
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zu der Tür, die uns zu ihm führt.«
    »Und wenn der Schatten nur ein Bild ist?«, mutmaßte Fritz, »eine Art Symbol für das Dunkle. Meinetwegen auch das Böse?«
    »Dann wäre der Schattenlose derjenige, der nichts Böses in sich trägt«, ergänzte ich. »Jemand, der unschuldig ist. Oder nicht schuldig werden kann. Ein kleines Kind vielleicht.« »Oder die vielen Leute, die krank sind im Kopf«, meldete sich Antonia. »Die armen Irren, die überall hier ... «
    »Ich weiß, wo Großvater ist!« Ich zog alle Augen auf mich, selbst Buba wurde wieder wach. »>Ihr seid geisteskrank.< Das hat Stephanescu heute Morgen zu Fritz und mir gesagt. >Ihr gehört nach Vadului<, sagte er. >Zu den Irren.«<
    »Da hat sich der Dämon verplappert. Ich sagte ja, er ist dumm wie Stroh!« Dimitru klatschte in die Hände. »Riu Vadului. Der Name sagt mir was. Das ist der Ort, um den mein Vetter Salman bei seinen Geschäftsreisen immer einen weiten Bogen gemacht hat. Vadului, das ist Iljas Ort!«
    »Im Stadtzentrum steht ein deutscher Volkswagen«, sagte ich. »Wer fährt mit?«
    In einem Atemzug wurde ein vielstimmiges Ich zu einem Wir. Dimitru wollte am liebsten stante pede aufbrechen, doch da es bereits Abend war, entschieden Fritz und ich, die Nacht noch im Interconti zu verbringen. Fritz erklärte sich bereit, über irgendwelche Kanäle und mittels ein paar Dollarnoten Benzin zu organisieren, ich wollte in der Zwischenzeit versuchen, Petre Petrov zu finden.
    Als ich mit Fritz das Hotel betrat, diskutierten Scharen von internationalen Journalisten nur ein Thema. Fest stand, der Conducator würde nicht mehr zurückkehren. Die Videobänder von der Hinrichtung des Diktatorenehepaares waren echt. Dass sich unter den jüngsten Opfern der immer noch andauernden Revolutionsscharmützel auch der aussichtsreichste Kandidat für das Amt des neuen Premierministers befand, wurde von den Vertretern der Weltpresse eher beiläufig registriert. Bei der Erstürmung des Athenee Palace, so erfuhren wir, sei der Kronauburger Bezirkssekretär Stefan Stephanescu von maskierten Unbekannten ermordet worden. Ein amerikanischer Fotograf, der den Tatort gesehen hatte, erzählte voller Abscheu, die Mörder seien offenbar ganz gezielt in die Präsidenten suite eingedrungen und hätten ihr Opfer nicht bloß erschossen, sondern bestialisch bis zur Unkenntlichkeit massakriert.
    Ich machte mich auf die Suche nach Petre, ohne ihn in der Dunkelheit zu finden. Zu meiner Erleichterung tauchte er mitten in der Nacht im Interconti auf. Zunächst überschüttete er mich mit dem heftigen Vorwurf, ich sei ständig irgendwo abgetaucht, während er seinen Hintern für die Revolution herhalte. Petre beruhigte sich jedoch und war hellauf begeistert, als ich ihm erzählte, es sei durchaus möglich, dass sich unter den gestohlenen sakralen Kunstgegenständen, die sich in den Kellern der Kronauburger Sekurität stapeln sollten, auch die Madonna vom Ewigen Trost befände. Petre erklärte, er werde sich noch am folgenden Tag nach Kronauburg durchschlagen, um die Madonna gegebenenfalls auf seinen Schultern zurück nach Baia Luna zu tragen.
    Bevor ich am Morgen den Volkswagen des Priesters Antonius Wachenwerther dort fand, wo Petre und ich ihn Tage zuvor abgestellt hatten, besorgte Fritz die neueste Ausgabe der Stimme der Wahrheit. Erleichtert stellten wir fest, dass der Chefredakteur auf die Veröffentlichung eines Fotos des nackten Stephanescu verzichtet hatte. Stattdessen fand sich auf Seite eins eine ältere Porträtaufnahme, auf der Doktor Stephanescu lächelte. Der Redakteur hatte den Toten ruhen lassen, auf einen Nachruf verzichtet, sich aber ausführlich zu den Spekulationen über die nebulöse Identität der Täter geäußert. Ob hinter dem Mord Kreise der politisch zersplitterten Rettungsfront steckten oder konterrevolutionäre Geheimzirkel der Sekurität, sollte auch in den folgenden Tagen und Wochen nicht aufgeklärt werden. Ungeachtet der Ermordung Stephanescus hatte der Ministerrat der Übergangsregierung am Nachmittag ihren Premier ausgerufen. Den Namen des Mannes hatte ich nie zuvor gehört. Der neue Staatschef versprach, für den Mord an Stephanescu eine Untersuchungskommission einzuberufen, von der jedoch später niemand wusste, ob sie überhaupt einmal getagt hatte.
    15
    Der Ort ohne Schatten, die Rettung aus Amerika und Dimitrus Ceheimnis
    Am Dienstag, dem 27. Dezember 1989, steuerte ich den Volkswagen durch die einsamen Karpaten. Neben mir saß Tante Antonia,

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