Wie die Madonna auf den Mond kam
diese Tat wieder tun. Tun müssen! Dieser Mensch war unerträglich! Was sonst hätten wir machen sollen? Und du? Was für ein Urteil hast du gefällt? Dimitru, ich verstehe dich nicht.«
Ohne mir zu antworten, fuhr der alte Zigeuner in seiner Ecke fort: »Der Dämon ist dumm. Sehr dumm. Aber er ist böse. Sehr, sehr böse. Deshalb sucht er die Schlauen. Nur ihnen zeigt er sich. Nur wenn ein Schlauer ihn trägt, wird er mächtig. Und dann werden die Schlauen, ohne es zu merken, zu Dummen. Weil sie die Macht des Dämons mit ihrer eigenen Macht verwechseln. Dann fühlen sie sich unbesiegbar und lächeln. Manche Menschen frieren bei diesem Lächeln. Es sind Menschen, die einen Engel in sich tragen. Nur diese Menschen können den Dämon ... «
In diesem Moment geschah etwas Sonderbares. Fritz Hofmann wischte sich eine Träne von der Wange, erhob sich und fragte Dimitru, ob er ihm gestatte, sich zu ihm zu setzen. Als Dimitru antwortete: »Aber immer, permanente, jederzeit«, gewannen alle im Raum den Eindruck, als sei es ein klein wenig heller geworden.
Fritz kniete vor Dimitru nieder und sagte: »Ich glaube nicht an Engel. Und bei Leuten wie Stephanescu friere ich nicht, da kocht in mir die Wut. Aber, Dimitru, ich bitte dich. Sag mir, kann man diesen Dämon töten?«
»Wer bist du? Ich kenne dich irgendwoher. « »Ich bin Fritz Hofmann. Geboren in Baia Luna.«
Dimitru schaute ihn an. »Das stimmt. Du bist es. Fritz, der Neunmalkluge. Jawohl, du bist ein Fuchs. Das warst du schon als Junge. Aber Fritz, einen Dämon kann man nicht töten. Kein Mensch kann das. Nicht einmal der Auferstandene, der sitzet zur Rechten des Vaters. Es gibt nur einen einzigen Weg, den Dämon für immer verschwinden zu lassen. Nur einen.«
Längst hatten auch Buba, Antonia und ich uns im Halbkreis um Dimitru geschart.
»Kennst du diesen Weg?«, fragte ich.
»Ja. Ich weiß um ihn. Aber ich bin diesen Weg nie gegangen. Den Dämon kann man nur töten, wenn man ihn erlöst. Zuerst muss man ihn zwingen, sein Gesicht zu offenbaren. Ist man jedoch innen hohl, schlüpft der Dämon in einen hinein. Erlöst wird der Dämon nur, wenn er einen Engel sieht. Der Engel, meine Lieben, hat, wie ihr wissen solltet, große weiße Flügel. Er fliegt mit dem Dämon davon.«
»Onkel Dimi, wohin fliegt er dann? In den Himmel?« »Sachte, sachte, liebe Buba. Mit einem Dämon im Gepäck bleiben selbst den mächtigsten Engeln die Pforten des Himmels verschlossen. Erst mal geht es in das Fegefeuer. Dort wird der Dämon geläutert. Wenn alles Böse in ihm verbrannt ist, dann ist er selber ein Engel. Er ist frei. Er kann hinfliegen, wohin er möchte. In den Himmel, zu den Menschen, in die Berge, je nachdem, was seine Bestimmung ist.«
»Onkel Dimi. Noch eine Frage, bitte. Wie kann man einen Engel in sich hineinlassen?«
Alle blickten Dimitru an, gespannt und andächtig. Wir sahen eine merkwürdige Verwandlung. Dimitru schien nicht nur zu wachsen, er war tatsächlich ein Stückchen größer geworden, als er mit fester Stimme sprach: »Wie man einem Engel die Pforten öffnet, das weiß ich nicht. Ich habe mich dem Kontakt zu ihnen immer verschlossen. Sie machten mir Angst. Sie schienen mir zu flirrig. Leiblos. Und das ist für einen so luftigen Menschen wie mich nicht gut. Ich fürchtete, mich zu verlieren. Ich suchte deshalb einen anderen Weg. Und ich glaubte, ihn gefunden zu haben. Den Weg zu einem Wesen, das alles Wissen in sich trägt. Das Wissen des Himmels und das Wissen der Welt. Es musste aus Licht sein wie die Engel, zugleich aber mit leiblicher Gestalt. Es konnte nur ein erlöstes Wesen aus Geist und aus Fleisch und Blut sein. Und das ist allein die Gottesmutter. Sie war der Mensch, von dem ich annahm, dass er leiblich in den Himmel aufgefahren war. Deshalb habe ich geforscht. Wo ist sie? Das wollte und musste ich wissen. Und ich fand es heraus. So glaubte ich. Ich war mir sicher, sie ist auf dem Mond. Im Mare Serenitatis. Das war mein Errorfatal. Ich bin es, der nichts verstanden hat. Gar nichts. Und am schlimmsten ist, ich habe den einzigen wahren Freund in meinem Leben mit in diesen Irrtum gestürzt. Borislav Ilja Botev. Pavel, ich muss deinen Großvater um Verzeihung bitten. Ich habe ihn lange gesucht, doch ich habe Ilja nicht gefunden. Ich bitte dich, Pavel, hilf mir. Ich bitte euch, helft mir! Sonst kann ich nicht sterben.«
Dimitru betete das Vaterunser. Als er endete, sprachen wir das Amen. Antonia stand auf und holte die Bibel hervor, die der
Weitere Kostenlose Bücher