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Wie die Madonna auf den Mond kam

Wie die Madonna auf den Mond kam

Titel: Wie die Madonna auf den Mond kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Bauerdick
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Kommissar Patrascu schaute zu seinen Leuten hinüber und griff an seinen Gürtel. Die Volkspolizisten zogen ihre Pistolen. Dann feuerten sie in die Luft. Die Menge stieb auseinander, und sofort kehrte Ruhe ein. Cartarescu schob die Brancusis zu einem der Wagen und riss die Heckklappe auf. »Eine polizeiliche Maßnahme zu eurem Schutz. Es dient der Sicherheit des Ortes, wenn ihr eine Weile verschwindet.« Der Plutonier hatte die Worte noch nicht zu Ende gesprochen, da kauerten die drei Brüder schon im Fond des Polizeiwagens.
    Die Volkspolizisten richteten ihre Waffen noch immer in den Himmel, als der Kommissar erklärte, man habe Order von höchster Stelle, die Toten zur Obduktion nach Kronauburg zu bringen. Der Fahrer des Leichenwagens maulte, man habe ihm nur den Auftrag für einen Toten erteilt, von einer zusätzlichen Frau sei nie die Rede gewesen, ob sich denn niemand von diesen Herren im Bezirk darüber Gedanken mache, was es heiße, zwei tote Leiber, zudem schwer und steif, in nur einen Wagen zu packen, was nie ohne Quetschungen und Blessuren abgehe. Wie solle da eine fachgerechte Autopsie überhaupt noch zu vernünftigen Erkenntnissen führen, zumal ihm höchstpersönlich an einer ordentlichen Untersuchung der Leichen weiß Gott gelegen sei, weil er als Fahrer letzten Endes immer, als letztes Glied am Arsch der Kette, den Ärger abkriege.
    »Hör auf«, sagte Patrascu. »Glaubst du, mich kotzt das nicht an? Wir machen auch nur den Dreck weg. Aber nächste Woche lege ich die Beine hoch und halte meinen Hintern warm.« Dann wandte er sich an Karl Koch: »Wenn ich euch einen Rat geben darf: Fackelt nicht herum. Haltet die Flamme klein. Sonst habt ihr hier ein Feuer, das euch verbrennt.«
    Einer der Sergeanten, der mit in der Kirche war, hatte wohl das Wort »Feuer« aufgeschnappt. »Leute, ihr seid doch Katholiken? Ihr solltet öfters in eure Kirche gehen und dafür sorgen, dass in eurem Gotteshaus das Ewige Licht brennt.«
    Meine Befürchtung, nun schlage die Stunde Kora Konstantins, trat ein.
    »Das Licht ist erloschen. Johannes gemeuchelt. Es ist zurück! Nun ist es zurück!« Kara rannte wie irre umher. Mit entsetzter Verzückung posaunte sie die Rückkehr des apokalyptischen Tieres aus und kreischte: »Der Teufel, der Dämon, das höllische Biest!« Sie warf sich zu Boden, suhlte sich im Schnee und grunzte wie ein Schwein. Julius Knaup faselte von der Wiederkehr des Antichristen, vom Blut am Altarstein, geflossen bis zur Tränke. »Die Hufe, die Hufe!«, rief der Küster. »Ihr habt sie gesehen. Das Tier ist zurück! Die Bestie lebt! Johannes ist tot. Das Licht ist erloschen. Das Ende der Zeiten ist nah!«
    Weil die Leute, teils starr vor Schreck, teils angewidert, nicht auf Koras säuisches Gezucke und den Kirchendiener reagier ten, flaute die Spannung ab. Gestützt von ihrem Schwager Marku und Julius Knaup, schleppte sich Kora keuchend vor Ermattung nach Hause.
    »Wollt ihr in den Irrsinn stürzen! Ihr Ignoranten. Habt ihr alle nicht auf Papa Baptiste gehört?«
    Dimitru war aus seiner Bücherei aufgetaucht, und er schien mir in dieser Stunde des Wahns der einzig vernünftige Mensch. Ich wusste, dass der Zigan jedes Kanzelwort von Pater Johannes aufgesogen hatte wie ein Schwamm. Von dem Priester war bekannt, dass er ungemein kundig war in der Unterscheidung der Geister. Er kannte die feinen Wesensunterschiede zwischen Tier und Teufel, Luzifer und Beelzebub, zwischen Gespenstern, Dämonen und dem Bösen an sich. Nun erwies sich Dimitru als sein Schüler. Er klärte die Umstehenden auf, weder das apokalyptische Tier noch der Dämon könne der Urheber der bösen Ereignisse dieser Tage sein. Das Tier fliehe jede Kirche und meide die Nähe des Ewigen Lichtes, weshalb es dieses auch nicht habe auslöschen können. Und wer Bruder Baptiste ermordet habe, das sei gewiss nicht der Dämon gewesen.
    »Dämonen verbreiten nur Furcht. Aber sie können nicht töten. Denn sie haben keine Füße, keine Hände und keine Messer. Sie irren umher und suchen sich Hüllen von Menschen, die hohl sind von innen. Und wenn sie einen gefunden haben, dann lächeln sie ständig, weil sie froh sind, dass einer sie trägt.«
    »Ich muss hier weg!« Kommissar Patrascu befahl den Volkspolizisten: »Packt die Leichen ein, und dann schleunigst zurück in die Stadt.«
    Gegen Abend holten sich der Ungar Istvan Kallay, Schuster Hermann und Trojan Petrov bei meinem Großvater Stifte und Papier. Die drei wollten von Haus zu Haus ziehen. Karl

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