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Wie die Madonna auf den Mond kam

Wie die Madonna auf den Mond kam

Titel: Wie die Madonna auf den Mond kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Bauerdick
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jetzt diese Geschichte.« Er zündete sich eine Carpati an. »Wo ist der Tatort?«
    Kristan Desliu wies auf das Pfarrhaus. »Aber die Toten liegen in der Kirche.«
    »Was? Die Leichen liegen in der Kirche! Wer hat sie dort hingebracht? «, brauste Plutonier Cartarescu auf.
    »Wir! «
    »Seid ihr verrückt geworden? Das ist schwerste Behinderung der Polizeiarbeit. Tatorte sind unter keinen Umständen zu verändern. Wie soll man da ermitteln? Wenn alle Spuren verwischt sind. Wer ist für den ungenehmigten Transport verantwortlich? «
    »Nun mal halblang«, meinte Patrascu. »Lass uns die Sache in Ruhe anschauen.«
    Während einige der Volkspolizisten auf dem Dorfplatz warteten, zogen der Kommissar, Cartarescu und zwei Uniformierte zum Pfarrhaus. Da die Tür ins Schloss gefallen war, rief man nach dem Schmied Simenov, der das Holz mit dem kräftigen Ruck eines Stemmeisens aus den Angeln brach. Nach einer Stunde kehrten die Beamten von ihrer Inspektion zurück.
    »Schwierig, schwierig«, sagte Patrascu und zog an seiner Zigarette. »Tausend Fußspuren. Vorm Haus. Auf der Treppe. Wo du auch hinguckst. Da ist nichts zu machen. Ziemliches Durcheinander da oben. Was sollen wir da finden? Wir wissen ja nicht mal, wonach wir suchen sollen. Wie man sieht, müssen auch die Täter etwas gesucht haben. Aber wie da rumgewütet wurde, haben sie wohl nichts Brauchbares entdeckt.«
    »Wie meinst du das?« Cartarescu verstand nicht. »Wieso haben die Täter nichts gefunden? Woher willst du das wissen?«
    »Erfahrungssache. Einbrecher schmeißen nur dann alles über den Haufen, wenn niemand zu Hause ist. Ist aber jemand da, verläuft die Chose anders. Glaub mir, wenn ich dir ein Rasiermesser an den Hals halte, verrätst du mir jedes Versteck. Geld, Schmuck, Schnaps, wichtige Papiere, was weiß ich. Das alles kramst du schleunigst freiwillig hervor. Wenn man von freiwillig in so einer Lage überhaupt sprechen kann. Es sei denn, es gibt nichts, was versteckt ist. Dann krempeln die Kerle alles um, bis sie selber merken, dass nichts zu finden ist. Wenn sie klug sind, hauen die Ganoven wieder ab. Wenn sie aber verärgert sind, ich sag dir, dann ziehen sie das Messer durch. So einen Fall haben wir hier.«
    Cartarescu zuckte unwirsch die Schultern und drängte seinen Vorgesetzten, endlich die Tatopfer zu inspizieren. »Macht ihr das«, sagte Patrascu. »Ich bin am 15. in Pension.
    Soll ich mir da noch dieses grauslige Zeug antun? Nach fünfundvierzig Dienstjahren. Ich habe genug gesehen.«
    Als Plutonier Cartarescu endlich mit zwei Sergeanten von der Erkundung der beiden Leichen in der Kirche zurückkam, waren die übrigen Polizisten noch immer dabei, die Frauen und Männer zu verhören. Verdächtige Personen? Fremde im Dorf? Persönliche Feinde des Pfarrers, im privaten Umfeld, im klerikalen gar? Besondere Vorkommnisse? Viel Geld im Pfarrhaus? Sakrale Kunst? Kirchengold ? Sie fragten nach der Beziehung zwischen Fernanda und dem Priester, wollten alles wissen über seine Lebensgewohnheiten, Vorlieben, Abneigungen, als Karl Koch der Kragen platzte.
    »Er war gegen die Partei. Gegen euren gottverdammten Kommunismus. Und ihr wisst genau, wer hinter diesem feigen Mord steckt. Eure verfluchte Sekurität! Die wusste doch genau, dass Johannes heute in der Kirche gegen den Kolchos predigen wollte. Da haben sie ihn und Fernanda umgebracht.
    Dahinter steckt allein diese Speckbacke, dieser Lupu Raducanu. Die Sicherheit scheißt den Dreck aus, und die Polizei passt auf, dass niemand hineintritt.«
    Die Carpati des Bezirkskommissars flog in den Schnee. Er setzte seine Uniformmütze auf. »Können Sie das beweisen?« »Beweise! Scheiß auf eure Beweise! Das sind Verbrecher, widerliche Verbrecher!«
    »Verbrecherbande, Sozialistenpack«, riefen nun auch Petre Petrov und Kristan Desliu. Petres Vater Trojan reckte die geballten Fäuste, und der Schäfer Avram Scherban, der schon getrunken hatte, stob blindwütend auf die Brancusis zu. »Ihr Kommunistenbrut!«, brüllte er, umklammerte mit beiden Händen Romans Hals und würgte ihn zu Boden. Ausgerechnet Hermann Schuster, dem der Stotterer Roman eine dicke Beule verpasst hatte, zerrte den alten Scherban von Roman fort, worauf ihn Hans Schneider anschnauzte: »Erst lässt du dich prügeln, dann ziehst du den Schwanz ein.«
    Liviu Brancusi perlte der Schweiß von der Stirn. »Wir haben mit der Sache nichts zu tun! So glaubt uns doch!«
    Die angstvollen Rufe der Brancusis erstickten unter Fausthieben und Geschrei.

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