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Wie die Madonna auf den Mond kam

Wie die Madonna auf den Mond kam

Titel: Wie die Madonna auf den Mond kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Bauerdick
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Koch, der die Abordnung unbedingt begleiten wollte, wurde ausgeschlossen, mit der Begründung, er habe in den vergangenen Tagen genug Ärger gehabt und solle bei Frau und Kindern bleiben, um seine blanken Nerven zu schonen. Morgen würde Lupu Raducanu auftauchen und die Liste fordern. Und er sollte sie in Teufels Namen bekommen. Aber nicht von Karl Koch. Er stand in der Schusslinie und musste aus dem Feuer.
    An diesem Abend lernte ich eine wichtige Lektion. Ich wollte herausfinden, ob ich in der Lage war, Menschen gegen ihren Willen in meinem Sinn zu beeinflussen. Es war nicht schwer. Just als die drei Männer losmarschierten, um alle Familien in Baia Luna aufzusuchen, schlug ich mir mit der Faust gegen die Stirn und heulte los: »Die Hufe, die Hufe, das Blut am Altar!«
    Das langte, und alle waren um mich besorgt. Ich fühlte mich fürchterlich mies. Aber das war der Preis.
    »Der Junge hat zu viel gesehen. Er braucht frische Luft«, sagte meine Mutter. Alle stimmten ihr zu. Selbst Großvater.
    Ich wandte mich an Hermann Schuster: »Ich will nicht allein nach draußen. Darf ich euch begleiten? Ich trage auch Papier und Stifte.«
    So war ich dabei, als die Delegation durch den Schnee stapfte.
    Keiner von den dreien war für den Kolchos, aber sie hatten keine Wahl. Die Furcht hatte ihre Arbeit verrichtet. Sie hatte die bittere Einsicht hervorgerufen, man müsse vernünftig sein und sich dem Unvermeidlichen fügen. Um weiteren Schrecken vom Dorf fernzuhalten, würde jedes Familienoberhaupt seine Unterschrift auf eine Liste setzen, auf der es keine linke und keine rechte Spalte gab. Es würde nur eine Liste geben, mit den Namen aller Familien. Die Frage, »Wollt ihr den Kolchos oder wollt ihr, dass das Unheil wiederkehrt? «, stellte sich nach dem Mord an Johannes Baptiste nicht mehr.
    Unten im Dorf fingen wir an. Bei den Zigeunern war eine Unterschrift nicht nötig. Die Schwarzen besaßen kein eigenes Land und hatten die Weiden für ihre Pferde nur von den Bauern gepachtet. Zuerst unterschrieben Avram Scherban, der alte Lopa sowie Vasili Adamski. Und wie erwartet Bogdan Brancusi, dessen drei Söhne in Kronauburg abwarteten, bis sich die Turbulenzen in Baia Luna wieder legten. Der Eisenschmied Simenov unterschrieb mit den Worten »ein Akt der Einsicht in schwieriger Zeit«, Julius Knaup trafen wir an im Haus von Marku Konstantin und dessen Schwägerin Kora. Sie hockten um den Küchentisch und legten sogar ihre Rosenkränze beiseite, um ihre Zustimmung zu dokumentieren. Von den Sachsen unterschrieben bauchgrimmig die Schneiders, die Zikelis und die Familie Klein. Bei Karl Koch zerbrach der Bleistift, als er zähneknirschend seinen Namen auf das Papier kratzte.
    Im oberen Dorf gelangten wir schließlich zum Haus der Hofmanns. Mir war mulmig. Ich hatte bei meiner simulierten Wahnattacke nicht bedacht, unterwegs auch dem vom Freund zum Feind gewandelten Fritz zu begegnen. Hermann Schuster klopfte. Birta schloss die Tür auf und bat uns herein. Über die Schwelle war außer mir keiner von den dreien je zuvor getreten. Sie staunten über die geräumige Stube und das Plakat einer mächtigen Frau mit Strahlenkranz und Fackel vor riesenhohen Häusern. Schuster erklärte Birta, sie seien in einer ernsten Angelegenheit gekommen, und fragte nach ihrem Ehemann.

»Heinrich ist nicht da«, sagte sie, und Fritz fügte bissig hinzu: »Und er kommt auch nicht mehr.«
    Die Männer schauten sich fragend an. Heinrich Hofmann war ständig in Kronauburg und wurde in Baia Luna auch nicht vermisst, doch dass er nun gar nicht mehr mit seinem italienischen Motorrad durch das Dorf fahren sollte, das leuchtete den dreien nicht ein. Und mir auch nicht.
    »Kommt nicht mehr? Wie sollen wir das verstehen?«, wandte sich Hermann an Birta.
    »Ich habe eingereicht! Um die Papiere. Für mich und Fritz.«
    »Und dein Mann, Birta?«, fragte Hermann verdutzt. Für ihn war die Beantragung der Ausreisepapiere eine unfassbare Entscheidung.
    »Heinrich bleibt in Kronauburg«, antwortete sie verlegen. »Fritz und ich gehen fort. Nach Deutschland.«
    »Aber ohne deinen Mann? Birta, wie soll das denn gehen?«
    »Damit ihr's wisst«, Fritz schaute mich giftig an, »meine Mutter lässt sich scheiden. Das wird auch höchste Zeit. Sobald die Papiere da sind, sind wir weg.«
    Birta Hofmann errötete. Ihr waren die ebenso freimütigen wie frechen Worte ihres Sohnes peinlich.
    »Ja, so ist es. Heinrich versucht momentan, Haus und Grund zu verkaufen, aber wer erwirbt schon

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