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Wie die Madonna auf den Mond kam

Wie die Madonna auf den Mond kam

Titel: Wie die Madonna auf den Mond kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Bauerdick
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Friedhofshügel zu beerdigen, sondern im Garten vor der Kirche. Umstritten war bei der Ratsversammlung die Entscheidung, wie mit dem verloschenen Ewigen Licht zu verfahren sei. Einige regten an, es mit einem Zündholz einfach wieder zu entflammen, bis de r Vorschlag kam, man könne den P farrer aus Schweischtal bitten, am Ewigen Licht in der dortigen Kirche eine Kerze zu entzünden, um die geheiligte Flamme nach Baia Luna zu bringen. Letzten Endes wurde auch dieser Vorschlag abgelehnt, weil man den Entschluss fällte, das erloschene Licht solle so lange nicht brennen, bis die feigen Mörder gefasst würden.
    »Wir sollten die Särge jetzt in die Kirche tragen«, wandte sich Hermann Schuster an den Fahrer. Der schaute verdutzt. »Welche Särge?« Er öffnete die Heckklappe des Leichenwagens. Darin lag nur ein Sarg.
    »Es müssen zwei sein«, riefen mehrere Stimmen zugleich.
    Die Männer, die parat standen, um die Totenladen zu tragen, sprangen zu dem schwarzen Auto und schauten nach. »Nur ein Sarg! Tatsächlich nur ein Sarg. Seid ihr von allen guten Geistern verlassen?« Der Fahrer und sein Begleiter wussten außer »Bitte Ruhe« und »Alles bestimmt ein Missverständnis« nichts zu erwidern. Da man jedoch einsah, dass in dem Tumult der augenscheinliche Irrtum nicht zu klären war, wurde es ruhiger.
    Der Chauffeur legte sein Pietätsgehabe ab. »Wir haben den klaren Auftrag, einen Sarg mit einer Leiche von Kronauburg nach Baia Luna zu transportieren.« Er holte ein Papier hervor. »Hier steht eindeutig: >Freigabe zum Transport. Johanna Fernanda Klein, geboren am 15. Juli 1886 in Trappold, ledig, verstorben am 9. November 1957 in Baia Luna. Gezeichnet Doktor Petrin, Pathologisches Institut, Volksgenossenschaftliches Bezirkskrankenhaus Kronauburg.< Eine Verstorbene. Ein Sarg. Das ist unsere Order.«
    »Fernanda ist nicht verstorben. Sie wurde ermordet.« Petre Petrov geriet in Rage. Die anderen fielen ein. »Wo ist unser Priester? Wo ist Johannes? Wo?«
    »Wir wissen nichts von einem Priester«, bekräftigten der Chauffeur und sein Beifahrer. »Da muss ein Missverständnis vorliegen. Irgendein Fehler in der Planung. Passiert ja dauernd. Der Fehler liegt in Kronauburg. Am besten einer von euch kommt mit, da könnt ihr die Sache vor Ort klären.«
    Leider habe der Transporter nur zwei Sitze, sagte der Beifahrer, für ihn und den Chauffeur. Aber man könne gern zwei, drei Leute nach Kronauburg mitnehmen, sofern es ihnen nichts ausmache, hinten im Wagen zu hocken. Es rieche zwar ein wenig, aber es sei garantiert alles sauber. Man dürfe halt nicht dran denken, für wen da normalhin der Platz reserviert sei.
    »Mir macht das nichts aus«, meldete sich Petre. »Ich fahre mit.« Die anderen Männer zögerten bei dem Gedanken, gut drei Stunden im Fond eines Leichenwagens durch die Berge zu schaukeln, doch sie wollten auch nicht zulassen, ausgerechnet einen ungestümen Siebzehnjährigen zu Nachforschungen in die Polizeibehörde und ins Bezirkskrankenhaus nach Kronauburg zu schicken.
    »Petre, du bist zu jung«, mahnte der Ungar Istvan.
    »Dann fahr du doch!«, giftete der Schmied Simenov. Istvan dachte einen Moment nach. »Gut. Ich werd's machen.« »Und ich begleite dich.« Petre gab sich störrisch und ließ keinen Zweifel aufkommen, dass niemand ihn von seinem Vorhaben abbringen würde.
    »Ich fahre auch mit!« Die Leute drehten sich um und schauten ebenso perplex wie missbilligend zu mir herüber.
    »Das verbiete ich dir!« Noch nie hatte die Stimme meines Großvaters so streng geklungen.
    »Pavel, das kommt nicht infrage«, stand Hermann Schuster meinem Großvater bei. »Eher fahre ich mit.« Während Erika Schuster die Mundwinkel verzog und ihrem Ehemann einen ärgerlichen Blick zuwarf, weil er sich schon wieder anschickte, mehr an das Dorf als an seine Familie zu denken, entgegnete ich Großvater: »Jeden Tag höre ich von dir: Pavel, tu dies. Pavel, tu das. Pavel, du bist schließlich alt genug. Jetzt bin ich alt genug.«
    Weil Opa auf die Schnelle nichts erwiderte, lieferte Karl Koch ihm Beistand. »Pavel, was willst du in der Stadt? Dich Grünschnabel nimmt doch keiner ernst.«
    »Genau«, sagte ich, »mich nimmt keiner für voll. Und darin besteht unsere Chance, überhaupt etwas über Pater Johannes zu erfahren. Steckt hinter dem fehlenden Sarg von Pater Johannes wirklich nur ein Missverständnis, so kann der Irrtum geklärt werden. Steckt dahinter aber etwas, das wir alle nicht durchschauen, so könnte ich ...

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