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Wie die Madonna auf den Mond kam

Wie die Madonna auf den Mond kam

Titel: Wie die Madonna auf den Mond kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Bauerdick
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zerquetschen.«
    Schweigend stiegen wir vom Burgberg hinab. Der Abendbus nach Apoldasch hatte Kronauburg schon vor zwei Stunden verlassen. Wir beschlossen, die Nacht in der Wartehalle des Bahnhofs zu verbringen und den Bus am nächsten Morgen zu nehmen. Um sich zu wärmen, steckte Istvan seine Hände tief in seine Manteltaschen. Er zog eine Schachtel Carpati hervor. In dieser Nacht rauchte ich meine erste Zigarette.
    6
    Fritz Hofmanns Entdeckung, Dimitrus Kopfstand und ein Mensch, der ein ganz anderer war
    Nachts hatte es in den Bergen wieder geschneit. Mit dem Fußweg von der Endstation des Omnibusses in Apoldasch bis nach Baia Luna stand uns ein mühseliger Marsch bevor. Zumal die Last drückte, nichts über den Verbleib des Leichnams von Johannes Baptiste herausgefunden zu haben, bis auf die entmutigende Einsicht, dass sein Verschwinden kein Versehen einer ausufernden Bürokratie war. Dahinter tat sich der Schatten einer düsteren, bedrohlichen Gewalt auf, für die ich keinen Namen hatte. Auch Petre und Istvan zweifelten nach dem Gespräch mit Patrascu nicht, die Mühlen dieser Macht vernichteten jeden, der ihre Kreise störte. »Haltet die Flamme klein.« Immer wieder schoss mir der Satz des alten Kommissars durch den Kopf, und mir wurde bang.
    Zu unserer Verwunderung lief sich der Feldweg entlang der Tirnava äußerst bequem. Wir konnten in die ausgefahrene Spur eines Lastwagens treten, der sich am frühen Morgen mit Schneeketten den Weg nach Baia Luna gebahnt hatte. In den Reifenabdrücken entdeckten wir eine weitere, vergleichsweise schmale Spur. Sie stammte von einem Motorrad. Die Volkspolizisten in Apoldasch fuhren solche Maschinen, und auch der Fotografenmeister Hofmann besaß ein Kraftrad. Istvan war besorgt. Reifenspuren, die nach Baia Luna führten, verhießen in diesen Tagen nichts Gutes.
    Wir erreichten den Ort um die Mittagszeit und sahen, dass die Furchen im Schnee zum Haus der Familie Hofmann führ ten. Bei dem Lastwagen handelte es sich um ein Fabrikat, das auf transmontanischen Straßen nur selten gesichtet wurde. Auf der Kühlerfront prangte ein Stern, und das Nationalitätenkennzeichen am Heck lautete »0«. Unter dem verdreckten Nummernschild zeichnete sich der Buchstabe »M« ab.
    »München«, sagte Istvan.
    Für meinen einstigen Kameraden Fritz Hofmann waren die letzten Stunden in Baia Luna angebrochen. Heinrich Hofmann stand in schwarzer Lederkluft neben seinem Motorrad und wies zwei Möbelpacker an. Der Mercedes war fast vollständig beladen. Fritz und seine Mutter sah ich nirgends.
    »Gott sei Dank, du bist wieder da.« Mutter war die Erleichterung und Freude über meine Rückkehr anzusehen, während sich Großvater nichts anmerken ließ. Ich war gegen seinen Willen in einem Totenwagen mit nach Kronauburg gefahren und mischte mich in Dinge ein, die mich seiner Meinung nach in meinem Alter nichts angingen. Opa deutete nur mit dem Daumen zu der Bank neben dem Kanonenofen. »Du hast Besuch.«
    In der Ecke saß Fritz . »Ich habe auf dich gewartet.«
    Ich zog meinen Mantel aus. »Was willst du?«
    »Mit dir reden. Ich muss dir was zeigen. Es ist wichtig!« »Für dich vielleicht, aber nicht für mich.«
    »Mensch, kapier doch, es ist sehr, sehr wichtig. Und in spätestens einer Stunde sind wir weg. Glaubst du, ich warte hier stundenlang auf dich, wenn es nicht wichtig wäre?«
    »Solche Töne kenne ich von dir ja gar nicht, du großartiger Kirchenschänder. Du warst doch immer so stolz, auf nichts und niemanden angewiesen zu sein. Wir sind dir doch alle zu blöd hier in Baia Luna.«
    »Hör auf, Pavel! Bitte! Es ist mir ernst.« »Dann zeig, was du zu zeigen hast.«
    Fritz drehte sich um und sah Großvater und meine Mutter. »Hier besser nicht. Können wir in dein Zimmer gehen?«
    Wir saßen auf meinem Bett. Fritz reckte sich aufrecht und atmete durch, um die Aufregung aus seiner Stimme zu nehmen.
    »Du erinnerst dich an vergangene Woche, als du in unser Haus gestürmt kamst, um mir euren neuen Fernseher zu zeigen ?«
    »Als du danach so heldenhaft eine kleine Flamme ausgepustet und dich dann feige verpisst hast.«
    »Mensch, hör auf. Pavel, bitte! An dem Nachmittag, als du mich zum Geburtstag deines Großvaters abgeholt hast, was glaubst du, wie froh ich war, endlich von zu Hause weg zu können. Es war zum Ersticken. Mein Vater und meine Mutter hatten sich wieder gestritten. Jetzt sind sie geschieden. Mein Vater will nach Kronauburg ziehen, vielleicht sogar in die Hauptstadt. Meine Mutter

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