Wie die Madonna auf den Mond kam
vervielfachten. Den Gipfel des Luxus bildeten drei Exemplare einer kuriosen braunen Frucht, die auf weißem Tuch drapiert aufrecht in einer Glasvitrine standen und von Glühstrahlern an geleuchtet wurden. Sie erinnerten mich an Königshäupter, aus deren Kopf eine Krone aus stacheligem grünem Blattwerk wuchs. Die drei Früchte stammten aus Hawaii, von dem ich in vager Erinnerung an die Erdkundestunden der Barbulescu lediglich behalten hatte, dass es sich um eine Insel handelte, wo niemals Schnee fiel. Als ich den Preis für eine dieser Früchte namens Pineapple las, traf mich der Schlag. So viel verdiente mein Großvater in einem Monat. »Guck dir das an!« Ich stieß Petre mit dem Ellenbogen in die Rippen und zeigte auf das Preisschild.
Als wir endlich an der Reihe waren, fragte eine brünette Bedienung schnippisch: »Was bitte?«, wobei ihr argwöhnischer Blick meinen aufgetragenen Mantel musterte.
»Bitte einmal Carpati, die Dame«, sagte Istvan mit übertriebener Höflichkeit.
Die Verkäuferin ging zu den Rauchwaren, nahm die Zigaretten aus dem Regal und knallte die Schachtel auf die Theke. »Sonst noch was?«
Istvan antwortete nicht, kramte ein paar Alumünzen aus der Tasche und schleuderte das Kleingeld mit einem lockeren Wurf aus dem Handgelenk über den polierten Tresen. Während die Bedienung beleidigt das Geld vom Boden aufklaubte, schritt Istvan mit erhobenem Haupt nach draußen.
Als wir das nassglatte Kopfsteinpflaster den Burgberg hinaufstiegen, schämte ich mich. Für den armseligen Laden daheim, für Großvater, für Baia Luna und für mich selbst.
Im Schein einer Laterne fiel das Haus des pensionierten Kommissars tatsächlich durch den gelben Anstrich auf. Es stand inmitten einer windschiefen mittelalterlichen Fassadenfront, die deshalb nicht umstürzte, weil ein Haus das andere stützte. An die blau gestrichene Holztür war ein eiserner Löwenkopf montiert, mit einem Ring durch die Nase. Istvan schlug ihn dreimal gegen das Holz. Kurz darauf hörten wir das Rasseln eines Schlüsselbundes, und Patrascu öffnete die Tür. Zwischen seinen Lippen brannte eine Carpati, während er sich mit beiden Händen sein Hemd in die Hose stopfte.
»Guten Abend, die Herren. Was gibt's?« Patrascu blickte uns an. Sein mahlender Unterkiefer verriet, dass sein Gedächtnis rotierte. Mein und das Gesicht Istvans sagten ihm anscheinend nichts, doch an Petre Petrov konnte er sich erinnern.
»Du bist doch einer von den Wildgewordenen, die den Brancusis an die Gurgel gesprungen sind, nach dieser Sache mit eurem Pfarrer.«
»Genau deshalb sind wir hier, Herr Kommissar. Kallay, Istvan Kallay, wenn ich mich vorstellen darf.«
»Dann hättet ihr euch den Weg sparen können. Ich bin nicht mehr in der Pflicht. Und ich will auch an nichts erinnert werden, was im Entferntesten mit meiner Zeit in vaterländischen Diensten zu tun hat. Haben wir uns verstanden?«
»Wir sollen von den Kollegen von der Wache grüßen«, versuchte der Ungar die Stimmung umzubiegen.
»Habe ich mich nicht genügend deutlich ausgedrück t?«
»Und von Paulinchen, von der sollen wir auch schön grüßen«, warf ich ein. »Paulinchen, ich meine, Frau Doktor Petrin, meinte, Sie würden uns in unserer Angelegenheit bestimmt weiterhelfen. «
Patrascu schnippte seine Zigarette in die Gasse und strich mit den Fingern durch seinen Haarkranz. »Ihr wart bei Paula? Was um Gottes willen habt ihr denn von dieser Seele von Mensch gewollt? Etwa wegen dieses Priesters?«
Wir nickten.
»Habe ich euch nicht geraten, die Flamme klein zu halten?
Habe ich euch nicht gesagt, dass euch diese Geschichte sonst den Hintern versengt?«
»Lieber verbrennen als erfrieren«, tönte ich großspurig. Patrascu konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. »Komisch, solche Sprüche hat Paulinchen auch immer parat. Na gut, kommt rein. Aber ich fürchte, ich kann euch wirklich nicht helfen. Außerdem habe ich nichts zum Anbieten. Seit meine Frau gestorben ist, ist hier nicht mehr viel lo s.«
Patrascus Wohnstube wirkte etwas vernachlässigt, soweit sich das im dichten Rauch verglühter Carpatis beurteilen ließ. Die stickige Hitze trieb uns die Schweißperlen auf die Stirn. Wir legten die Mäntel ab. Patrascu holte vier Gläser und schenkte Konjaki Napoleon ein.
»Für mich nicht.« Immerhin war ich erst fünfzehn. »Wenn wir etwas unter Männern zu bereden haben, dann benimm dich auch wie ein Mann. Zum Wohlsein!«
Ich stieß mit an und trank. Istvan erzählte von der
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