Wie die Madonna auf den Mond kam
geht mit mir nach Deutschland.«
»Wohl nach München.«
»Ja, nach München. Jedenfalls kam mein Vater vorgestern heim, um vor dem Umzug seine Sachen einzupacken, die in Kronauburg bleiben sollen. Er hat zwei Kisten zusammengestellt und gesagt, mit dem restlichen Krempel könnten wir machen, was wir wollten. Wegwerfen oder verbrennen. Es war ihm egal. Die zwei Kartons hat er oben im Flur abgestellt und eine Decke darübergeworfen. Danach sagte er zu mir und meiner Mutter: >Aber lasst die Pfoten von meinen Sachen.<«
Fritz holte Luft. Ich sagte nichts.
»Aber du kennst mich ja. Mit seinem Verbot hat er mich richtig heiß gemacht. Und gestern, als mein Alter wieder in Kronauburg war und Mutter sich im Dorf von einigen Leuten verabschiedet hat, da habe ich die Kisten durchstöbert.«
»Und?« Mein Pulsschlag schnellte in die Höhe.
»Das habe ich gefunden.« Fritz griff unter seinen Pullover und zog eine Fotografie hervor.
»Das gibt's doch nicht!« Mir fiel die Kinnlade herunter. Vor Schreck, vor Scham und vor Erregung. Obwohl das Gesicht der Frau von einem unscharf verschwommenen nackten Männerhintern verdeckt war, wusste ich sofort, wer da mit gespreizten Schenkeln auf dem Tisch lag. Ihre Brüste waren entblößt und ihr Kleid bis an ihr Becken hochgeschoben. Das Kleid hatte ein Muster aus Sonnenblumen. Um Angela Barbulescu standen fünf, sechs Männer. Sie lachten. Bei einigen hing die Hose in den Kniekehlen, bei anderen stach das pralle Glied aus dem offenen Hosenlatz. Einen der Kerle erkannte ich sofort. Er war der Einzige, der über dem nackten Fleisch nicht Hand an sich legte. Er trug sein pomadiges Haar nach hinten gekämmt, hatte eine Filterlose zwischen den Lippen und spritzte aus einer dickbauchigen Flasche Schaumwein auf Barbus Unterleib.
»Kennst du den mit der Zigarette?«, fragte Fritz.
»Klar. Das ist der Wahnsinn. Letzte Woche habe ich ihn in der Schule an die Wand genagelt.«
»Genau. Das Bild ist bestimmt zehn Jahre alt, aber ganz eindeutig, das ist der neue Parteichef von Kronauburg. Doktor Stefan Stephanescu und seine geilen Kumpel. Fotografiert von meinem Vater.«
»Das ist der Hammer«, stieß ich hervor. Alle Feindschaft zwischen mir und Fritz löste sich auf. Stattdessen verspürte ich das Band einer Vertrautheit, wie ich sie nie für möglich gehalten hatte. »Und jetzt sage ich dir was: Weißt du, wer die Frau auf dem Foto ist?«
»Woher? Man kann ja ihr Gesicht nicht sehen. Vielleicht so ein Strichmädchen. Was denkst du, mein Alter hat noch mehr solche Bilder geschossen. Die steckten in einer der Kisten, gut getarnt zwischen Stapeln von alten Hochzeitsfotos. Ich sag dir, auf den Bildern sind nur junge Frauen. Alle hübsch und alle blond. Da siehst du alles. Knallhart. Die Männer sind alle älter. Was glaubst du, was passiert, wenn der Kram an die Öffentlichkeit kommt? Ich hab die Fotos durchgesehen, aber dies hier ist das Einzige, auf dem Stephanescu zu erkennen ist.«
»Die Frau, die da liegt, ist die Barbu.«
Fritz hielt die Luft an. »Du spinnst! Woher willst du das wissen? Man erkennt doch nichts. Ich meine, ihr Gesicht.« »Ich weiß es. Hundertprozentig. Glaub mir. Aber das zu erklären braucht Zeit.«
»Scheiße, Scheiße«, stöhnte Fritz. »Ich habe nie kapiert, was Vater vor ein paar Monaten meinte. An einem Wochenende hat er mich gefragt, wie es in der Schule läuft, und ich habe ihm erzählt von Barbus ewigem Geschwafel vom Paris des Ostens, wo alles so kultiviert sein soll. Vater sagte nur, die Lehrerin soll nicht in der Vergangenheit herumstochern, sondern lieber was Vernünftiges unterrichten, oder er wird ihr das Leben zur Hölle machen. Ich bin sicher, Pavel, hier läuft was ganz Übles ab, und ich weiß nicht, was. Und gleich bin ich unterwegs nach Deutschland.«
»Du hast doch immer erzählt, du ziehst nach Kronauburg. Willst du wegen dieser schweinischen Fotografien nicht bei deinem Vater bleiben?«
»Dass ich mit meinem Vater nichts mehr zu tun haben will, steht schon länger fest.«
»Und weswegen? Ich dachte immer, ihr beiden kämt gut miteinander klar. Ihr steht doch beide auf diesen Nietzsche.«
Fritz erhob sich. Dann löste er den Gürtel seiner Hose. Als er sie herunterließ, biss ich mir auf die Lippen, um nicht aufzuschreien vor Wut. Fritz' Oberschenkel waren mit Striemen übersät, manche blauviolett, manche schwarz. Fritz entblößte sein vernarbtes Hinterteil.
»Die letzte Peitsche verdanke ich unserem Parteigedicht.
Meinem Alten hat
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