Wie die Madonna auf den Mond kam
hassendes Weib bindet keinen alten nackten Mann auf einen Stuhl, schmeißt alles durcheinander wie bei den Zigeunern und schneidet dann Hälse durch. Und drittens: Was sagt diese Konstantin? Was in Gottes Namen soll die Barbu gesündigt haben?«
»Mutterm ord und Tötung der Leibesfrucht.«
Dimitru schwieg. Mir kochte das Blut in den Adern. »Etwas ist schon seltsam«, sagte Dimitru zögernd. »Es stimmt. Die Barbulescu war tatsächlich im Pfarrhaus. Am Tag deines Geburtstags, bevor wir hier in dieser Stube saßen und uns die Sputnik-Rede vom Chruschtschow anhören mussten. Meiner bescheidenen Kenntnis nach wollte sie bei Papa Baptiste jedoch nicht beichten, sondern bloß den Schlüssel für die Bücherei ausleihen.«
»Den Schlüssel für die Bücherei? Vom Pfarrer? Aber jeder im Dorf weiß, dass du den Schlüssel zu den Büchern hast. Warum behelligt sie den alten Johannes? Warum geht sie nicht zu dir? Sie wohnt doch in deiner Nachbarschaft?«
Dimitrus Antwort ließ auf sich warten. »Vielleicht sollte ich mir diese Frage bei Gelegenheit auch stellen. Nur eines weiß ich sine dubio. Was auch immer das Fräulein Barbulescu auf dem Gewissen hat, ganz sicher nicht unseren guten Papa Baptiste.«
Das Treppenhaus knarrte. An den schweren Schritten erkannte ich Tante Antonia. Sie grüßte die beiden, und ich hörte, wie sie zu dem Regal ging, wo die Schokolade lagerte. Sie wünschte noch einen guten Abend, dann knarrten die Stufen erneut.
»Da ist noch etwas, was mir im Kopf spukt«, nahm Großvater das unterbrochene Gespräch wieder auf. »Dimitru, glaubst du, Baptiste hat die Wahrheit gesagt über >das Projekt< von diesem Koroljow? Hältst du es für möglich, dass Kosmonauten tatsächlich ins All fliegen und dem Chruschtschow nachher berichten müssen, ob sie Gott oder die Maria gesehen haben?«
»Ilja, mein Freund! Um das zu verhindern, sitze ich hier! Wir müssen etwas unternehmen. Bei den Brüsten der Seligen, >das Projekt< muss sabotiert werden. So wahr ich Zigeuner bin. Wir werden Koroljow ein paar ordentliche Knüppel zwischen die Beine werfen. Nur ... ich weiß noch nicht, wie.«
»Wenn einer den Koroljow stoppen kann, ich sag dir, dann nur der Amerikaner.«
»Aber der Ami ist blind. Er kriegt nicht mit, was sich beim Sowjet zusammenbraut. Und keine Stimme, die ihn warnt. Und Koroljow reibt sich die Hände. Amerika ist auf seinen Sputnik-Trick hereingefallen und kocht vor Ärger über das blöde Gepiepe, während die Sanduhr läuft. Ich schätze, Koroljow und Chruschtschow zählen schon die Tage für den Kauntdaun.
»Den was?«
»Das ist die Spanne zwischen dem Zeitpunkt X und dem Raketenstart«, erklärte Dimitru. »Wenn die Kosmonauten die Schwerkraft überwunden haben und auf dem Mond sind, ereilt sie der Funkspruch: >Ausschwärmen und Maria suchen! <«
»Und wenn sie die Madonna nicht finden, posaunen sie überall aus, dass es keinen Gott gibt ... «
»Und weißt du, was das heißt?«
Ich hörte, wie Großvater zwei Gläser füllte und antwortete. »Nicht so genau.«
»Ich werd's dir sagen. Wenn es Gott nicht gibt, so bedeutet das den Exitus der Vereinigten Staaten von Amerika. Bislang ist der Ami dem Sowjet noch turmhoch überlegen. Amerika hat höhere Häuser, größere Autos ... «
»Größere Madonnenstatuen und bessere Zigarren«, ergänzte Großvater.
»Genau. Überhaupt ist in Amerika alles besser. Nur ohne Gott ist das vorbei. Dann muss der Amerikaner sein Geld einstampfen. Ohne Gott sind aIl die schönen Dollars wertlos. In Go d we trust! Das ist Englisch und steht auf jedem amerikanischen Geldschein, wegen dieses Gleichnisses von Jesus. Von dem Herrn und seinen Knechten und den Talenten. Hast du ein Talent, mach zwei. Hast du viel Geld, mach sehr viel Geld. So macht es der Amerikaner. Wie in der Bibel. Das weiß ich von Vetter Salman, der sich mal in Devisen versucht hat. Doch wenn es keinen Gott gibt, dann kann man auch nicht auf ihn vertrauen. Geschweige denn auf eine Währung, die auf etwas vertraut, was es nicht gibt. Ohne Gott kann Amerika seine Dollars verbrennen. Dann kommt der Rubel.«
»Ich verstehe«, sagte Ilja. »Deshalb muss der Amerikaner schnell sein. Schneller als der Russe. Noch ein Gläschen?« »Aber immer!«
»Jemand sollte den Präsidenten von Amerika warnen. Aber wie?«
»Sic est. Aber es ist noch zu früh für eine Intervention. Wir müssen erst wissen, ob Maria tatsächlich in den Himmel aufgefahren ist. Sonst machen wir uns zum Objekt der Spötter. Was
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