Wie die Madonna auf den Mond kam
einer Wiese gelegen. Keineswegs müßig, wie man vielleicht hätte annehmen können. Er habe die Kühe der Bauern studiert und überlegt, wie man mit dem Vieh fremder Leute Geld machen könne, ohne dass irgendjemand einen Verlust zu beklagen hätte. Anders als diese Dummköpfe von Gadsche- Viehdieben, die überall Pferde und Rinder raubten und auf dem nächsten Viehmarkt geschnappt wurden, hatte Laszlo Carolea Gabor eine weit bessere Idee. Milch! Man müsse, noch bevor die Bauernkinder die Kühe abends zum Melken in die Ställe trieben, heimlich etwas Milch abzapfen. Nicht viel, allerhöchstens ein Schnapsglas voll.
Dimitru deutete dabei auf sein leeres Glas. Ilja entkorkte eine weitere Flasche mit der Bemerkung, mit ein paar Tropfen Milch könne man niemals Reichtümer erlangen.
»Exactamente!« Eben aus diesem Grund habe Dimitrus Vater ja auch die Idee gehabt, im Klandestinen vorzumelken und die Milch in Fläschchen abzufüllen. Deshalb habe man sich von Verwandten in Walachien eine Investitionshilfe geborgt und von dem geliehenen Geld in der Kronauburger Apotheke fünfhundert Bouteillen gekauft.
»Zu dem Geschäft mit der Milch kam es nicht mehr, weil mein guter Vater im Schneesturm sein Leben gelassen hat. Drei mal sieben Trauerjahre habe ich gewartet, dann kam die Stunde, in der der Sohn die Genialität seines Vaters in die Tat umsetzen konnte. Letzten Sommer war es so weit. Und? Hat irgendjemand im Dorf sich über zu wenig Milch beschwert, die aus seiner Kuh herauskam?«
»Davon ist mir nichts bekannt.« »Siehst du! «
Über Wochen, so gestand Dimitru, sei er heimlich bäuchlings durch die Weiden gerobbt, habe die Dorfkühe vor dem Gang in die Ställe ein wenig erleichtert und dann die Milch getreu dem Principio duplex mit Wasser aus der Tirnava verdoppelt. Sodann habe er die Fläschchen abgefüllt, sie verkorkt und mit geschmolzenem Wachs einer roten Opferkerze aus der Pfarrkirche versiegelt. »Und fertig waren die Reliquien! Die besten, die ich je hatte.«
»Was für Reliquien?« Nicht nur Großvater, auch ich verstand nicht, worauf der Zigeuner hinauswollte.
»Milch aus den Brüsten, die einst das Jesuskind säugten.« »Du bist verrückt! «
Keineswegs, dementierte Dimitru und erläuterte, ein paar Tropfen Muttermilch von der Heiligen Jungfrau Maria seien ein begehrtes Objekt der Verehrung, das die Kreuzritter dereinst aus dem Heiligen Land als Souvenir mitgebracht hätten und das seinen Besitzer trefflich vor diabolischen Anfeindungen schütze. Was natürlich seinen Preis habe. Zumal die Milch der Gottesnährerin weitaus wirksamer sei als Splitter vom Kreuzesbalken und Dornen aus der Krone, die Jesus bei seiner Kreuzigung trug. Dieses Wissen sei bei den Katholischen durch diese ganze Aufklärerei leider in Vergessenheit geraten, nicht aber bei den Orthodoxen.
»Aber du bist ein Betrüger! Du verkaufst den Leuten keine Madonnenmilch, sondern Kuhmilch mit Wasser!«
»Halt! Halt! Wenn du in der Kirche die heilige Hostie empfängst, was isst du dann?«
»Den Leib des Herrn«, antwortete Großvater, ohne zu überlegen.
»Korrekt. Nur Heiden, Bolschewiken und Leute, die keine Ahnung haben, würden behaupten, du äßest ein fades Stückchen Brot. Der Glaube verändert die Dinge. Wasser und Mehl ebenso wie Wasser und Milch.«
»Aber Brot war dem Herrn heilig«, widersprach Opa. »Jesus hat beim letzten Abendmahl Brot gereicht. Und Wein natürlich. Das hat er gewandelt in sein Fleisch und Blut. Von Milch war nie die Rede. Wer die Orthodoxen betuppt, ist nicht reell.«
»Ich bin kein Betrüger. Dagegen verwahre ich mich. Ein Betrüger, der andere Betrüger betrügt, ist nach den Gesetzen der negierenden Dialektik kein Gauner, sondern ein Streiter für Gerechtigkeit. Sieh mal! Wer glaubt schon einem Zigeuner? Niemand! Aber einem Popen in güldenem Altargewand nehmen die Orthodoxen alles ab. Jedes Wort. Wenn sich ein Schwarzer auf den Marktplatz stellt und seine Fläschchen mit Madonnenmilch anpreist, dann lachen ihn die Leute aus. Wenn er Glück hat. Wenn er Pech hat, fliegen Steine. Deshalb wusste schon mein Vater, Geld macht man nur bei denen, die selber Geld machen wollen. Bei den Gierigen. Also habe ich letzten Sommer meinen Karren bepackt und bin mit den Bouteillen nach Moldawien kutschiert. Ein Kloster neben dem anderen, sag ich dir. Unterwegs strömten Tausende von Orthodoxen in die Monasterie von Humor. Da bin ich mit meiner Ware gleich hinter den Pilgern her. Zuerst wollte mich der Klosterpope
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