Wie die Madonna auf den Mond kam
gar nicht empfangen. Dann habe ich ihm ausrichten lassen, die Zigeuner wollten spenden, ein wasserdichtes Dach für die Basilika und Geld für die Restauration der Fresken vom Jüngsten Gericht. Da kriegte ich Audienz. >Halbe-halbe<, habe ich dem Popen gesagt, wenn er die Pullen verscherbelt.«
»Und«, fragte Großvater, »hat er mitgemacht?«
»Klaro. In zwei Stunden war die Milch verkauft. Die Leute haben sich fast geprügelt. Wer ein Fläschchen ergattern konnte, war selig wie ein Engel. Der Pope hat sogar Essen für mich auftischen lassen, üppigst, und ein feines Fässchen Roten hat er aufgemacht und gemeint, wenn ich im nächsten Sommer noch andere Reliquien bringe, sei ich jederzeit wieder sein Gast. Glaub mir, von dem Geld konnte der Orthodoxe drei Kirchendächer bauen. Dann habe ich der Verwandtschaft den Einsatz mit doppeltem Zins zurückgezahlt und Vetter Salman meinen Anteil gegeben, damit er für dich einen schönen Fernsehapparat kauft. Das Geld hätte auch noch für zehn Antennen gereicht, aber dieser Hohlkopf! Was macht er? Macht auf Amerikaner, will das Geld vermehren und spielt mit diesen ausgefuchsten Zigeunern am Kronauburger Bahnhof Karten.«
Ich schwitzte derart neben dem Kanonenofen, dass ich das Federbett von mir warf und mich aufrichtete. Unbegreiflich, aber die beiden bemerkten mich nicht.
»Hier, du Ungläubiger.« Dimitru zog ein zerknittertes Papier aus seiner Hosentasche. »Alles reell«, sagte er zu Großvater und reichte ihm die Rechnung über den Kauf eines Fernsehers. »Die ist für dich. Verwahr sie gut.«
Als Ilja die Quittung unter das Münzfach der Registrierkasse steckte, sprang ihn die Summe an, die der Apparat gekostet hatte. Ihm wurde schwindelig.
»Mein Gott, Dimitru, du bist schlau, verdammt schlau. Wie der David. Wie der David im Kampf gegen ... wie hieß dieser Riese noch?«
»Unser Riese heißt Koroljow. Er ist unser Goliath. Wir haben keine Rüstung und keine Armee, deshalb müssen wir klug sein. Der Stein in unserer Schleuder ist die List. Sie ist unsere Waffe.«
»Und wir sind nicht allein!« Großvater drehte den Korken aus einer Flasche Silvaner. »Auf Amerika ist Verlass. Der Amerikaner wird Raketen bauen, bessere als der Sowjet. Der Ami will keine Rubel. Oh! Pavel, du bist wach. Geht es dir besser? Dann bring uns doch mal einen von den Kaugummis. Dimitru, ich sag dir, die echten amerikanischen, das sind die besten.«
»Ich geh noch mal frische Luft schnappen. Mir ist etwas flau«, sagte ich. Erfahrungsgemäß war damit die Erlaubnis gesichert, für eine Weile verschwinden zu dürfen. Die Bücherei im Pfarrhaus war unbeaufsichtigt. Dimitru hatte schon einen leichten Silberblick und würde in den nächsten Stunden bestimmt nicht dorthin zurückkehren. Ich warf meinen Mantel über und verließ das Haus.
Zügig stapfte ich durch den Schnee zur Siedlung der Zigeuner. Als ich vor Bubas Lehmhütte stand, bedauerte ich, mit ihr kein geheimes Zeichen vereinbart zu haben, um mich bemerkbar zu machen. Ich schätzte die Uhrzeit etwa auf neun. Zu spät, um nach Buba zu rufen. Vorsichtig warf ich einen Schneeball gegen die Fensterscheibe, hinter dem ich die Schlafstatt meiner Freundin vermutete. Eine Ewigkeit schien zu verstreichen, bis sich das Fenster öffnete und eine Stimme »Pavel?« hauchte.
Buba kletterte aus dem Fenster, barfuß, angetan nur mit einem dünnen Nachtkleid. Ich legte ihr meinen Mantel um die Schultern, und wir hasteten durch die Dunkelheit zum Pfarrhaus. Ich ertastete den Weg hoch in die Pfarrerswohnung. Erleichtert stellte ich fest, dass der Zweitschlüssel zur Bücherei wieder an dem Brett neben der Garderobe hing.
Als ich danach griff, blinkte etwas Silbernes auf, ein kleines, aber kunstvoll verziertes Schlüsselchen. Mit der vagen Idee, in welches Schloss es passen könnte, steckte ich es in die Hosentasche.
Zwei Minuten später kroch ich mit der frierenden Buba unter die Decken auf Dimitrus Chaiselongue. Vor uns lag das Tagebuch der Angela Maria Barbulescu.
»Ich habe kein gutes Gefühl«, sagte Buba und drückte sich an mich. »Ich habe die letzten Tage nur an Fräulein Barbulescu gedacht und was ihr damals in der Hauptstadt zugestoßen sein muss. Dann habe ich mir gewünscht, du wärst bei mir. Aber Mutter hat mich nicht aus dem Haus gelassen. Unsere Lehrerin müsste doch auch Mutter geworden sein. Sie war doch in Umstände geraten, damals, von diesem Fiesling Stefan. Aber sie ist ohne ein Kind nach Baia Luna gekommen. Ich will
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