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Wie die Madonna auf den Mond kam

Wie die Madonna auf den Mond kam

Titel: Wie die Madonna auf den Mond kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Bauerdick
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Seite auf und sah das braune Kreuz, neben dem geschrieben stand:
    »Mächtige stürzen vom Thron Niedrige werden erhöht
    Seine Stunde wird schlagen wenn er ganz oben ist.«
    Wortlos blätterte Buba weiter, bis sie den Abschiedsbrief der Lehrerin las.
    Als ich Bubas Arm berührte, war ihre Haut wieder eiskalt. »Stephanescu und seine Leute haben ihr das Kind aus dem Bauch geschnitten«, sagte sie. »Dafür werden sie bezahlen. Eines Tages wird Stephanescu die Rechnung begleichen. Und wir, Pavel, wir werden ihm diese Rechnung vorlegen.«
    »Aber Angela hat prophezeit, Stephanescu wird stürzen, wenn er ganz oben ist. Sie hat sogar gesagt, sie wird ihn mitreißen in den Untergang. Warum flüstert sie mir an ihrem letzten Tag in Baia Luna zu, ich solle ihn zur Hölle schicken? Wie hat sie das gemeint? Was soll ich denn tun?«
    »Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, sie will Gerechtigkeit. Nur Gerechtigkeit. Sonst nichts. Pavel, ich muss gehen.« Buba drückte mich an sich.
    »Ich warte auf dich«, hauchte sie mir ins Ohr. Dann verschwand sie lautlos.
    Den ganzen Januar über hatte es den Anschein, als würde Großvaters Satz »Dimitru hat die Barbu auch gesehen« unbeachtet im Dorf verhallen, dann, einen Tag vor Mariä Lichtmess, am 2. Februar, schlug das Echo zurück. Es war der Tag, an dem der Zigeuner Dimitru Carolea Gabor mit versteinerter Miene frühmorgens unseren Laden betrat und Ilja die Freundschaft kündigte.
    »Weißt du nicht, dass die Wahrheit zerbrechlich ist? Aber du trägst sie auf einem Tablett zu den Leuten, die alles zur Lüge verdrehen. Wie willst du mein Verbündeter sein, wenn du nicht einmal dieser Verrückten gewachsen bist?«
    Dann drehte sich Dimitru auf dem Absatz um und ging.
    Großvater war nicht überrascht. Dimitru hatte nur Worte für das gefunden, was er selber empfand. Er war ein Träumer, unfähig zu vorausschauendem Denken, unfähig zu klarem Kalkül und gänzlich untauglich für Strategien der List, zu denen der Zigan so dringend geraten hatte. Solange er Dimitru kannte, hatte ihm Großvater unterstellt, der Zigeunerfreund sei ein gewiefter Kindskopf, während er sich als Gastwirt und Kaufmann den Pflichten des Erwachsenenlebens gestellt hatte. Doch er selbst war noch immer ein naiver Junge. Und das mit fünfundfünfzig Jahren. Wie ein Knabe hatte er an die Unschuld der Worte geglaubt. »Dimitru hat die Barbu auch gesehen.« Als mein Großvater die Konsequenzen dieses Satzes gewahrte, starben seine Träume von Amerika und von Nuijorke für lange, lange Zeit.
    Es begann damit, dass Julia Simenov am Nachmittag vor Mariä Lichtmess in den Kaufladen stürmte, heulend und aufgebracht.
    »Was ist denn los, Mädchen? «, fragte Großvater, just als ich aus der Küche kam.
    »Wer ist bloß so gemein, Pavel? Wer macht so was?« »Was meinst du?«
    »Sie haben Barbus Grab geschändet. Jemand hat den Kranz zerrissen, und unser Holzkreuz haben sie auch zerbrochen. Und dann haben sie sich über dem Grab erleichtert und ihre Haufen fallen lassen.«
    Mir kochte das Blut. »Du meinst, sie haben auf ihr Grab geschiss ... Wer war das?«
    »Vielleicht waren es Hunde«, versuchte Ilja sich selbst zu besänftigen.
    »Nein«, entgegnete Julia, »das waren menschliche Tiere. Hunde zerbrechen keine Kreuze.«
    Großvaters Verdacht fiel sofort auf Kora Konstantin. Seit sie dem Leichnam Angela Barbulescus das Kleid heruntergerissen hatte, war dieser Irren alles zuzutrauen. Dass irgendjemand sonst in Baia Luna zu solch einer Widerwärtigkeit fähig war, vermochte er sich nicht vorzustellen.
    Bis Vera Raducanu den Laden betrat, erhobenen Hauptes und naserümpfend wie immer. Aber sie verlangte nicht nach der Seife in Goldfolie. Stattdessen begann sie in ungewohnter Freundlichkeit ein Gespräch. Sie verlor ein paar Worte über die kalte Jahreszeit, jammerte kurz über die Abgeschiedenheit von Baia Luna, um zum Kern ihrer Absichten vorzustoßen. Ihr Sohn Lupu. Sie habe in den vergangenen Wochen sehr wohl registriert, dass manche im Dorf, freilich ohne den Namen ihres Sohnes zu erwähnen, den Major der Sekurität für den Mord an dem Priester verantwortlich machten. Vera benutzte die Formulierung »in die Schuhe schieben«. Sie wolle keine Namen nennen, aber dass die Deutschstämmigen um diesen Karl Koch bei dem Rufmord an ihrem Lupu in vorderster Reihe zu finden seien, das sei kein Zufall. Ihr Sohn werde diese verleumderischen Subjekte zur Rechenschaft ziehen, sei erst dieser grässliche Schnee geschmolzen und die

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