Wie die Madonna auf den Mond kam
anderer Kerl bekommt. Wenn ich daran denke, dass du mit einem anderen so zusammen bist wie mit mir, dann ... « »Niemals. Nie und nimmer. So bin ich nur für dich. Und so werde ich niemals mehr für einen anderen sein.«
Buba hatte die Worte kaum ausgesprochen, da bemerkte ich im schwachen Licht der Kerze, dass ihre Augen leuchteten. Ja, sie lächelte sogar und schüttelte sanft den Kopf.
»Was ist?«
»Onkel Dimi ist nicht nur ein guter Mensch, er ist auch schlau. Er ist sehr schlau. Viel, viel klüger, als wir uns alle vorstellen können.«
»Wie meinst du das?«
»Ich habe mich schon gewundert, dass er mir erlaubt hat, heute Nacht zu dir zu gehen. Und nun weiß ich, warum.« «Und weswegen?«
»Weil es für mich als Zigeunerin nicht darauf ankommt, ob ich keinen anderen Mann will, sondern darauf, dass kein anderer Mann mich will. Onkel Dimi wusste, nach dieser Nacht mit dir würde ich kein Mädchen mehr sein. Und mit dieser Schande will kein künftiger Ehemann leben.«
»Heißt das, wir können doch für immer zusammen sein?« Buba küsste mich ab. »Ja und nein. Ich muss heiraten. Und wenn der Mann, den man für mich aussucht, merkt, dass ich nicht mehr unberührt bin, dann weiß ich nicht, was geschieht. Aber heiraten muss ich. Verstehst du? Es geht nicht um mich. Es geht um die Ehre meiner Familie.«
»Was sollen wir denn nun machen?«
»Onkel Dimi sagt, es kommt der Tag, da sind die Gesetze des Herzens stärker als die Gesetze des Blutes. Und er sagt auch, es braucht Geduld. Viel Geduld. Aber er hat mir versprochen, dass dieser Tag kommen wird, so wahr er Zigeuner ist.«
»Und wann wird das sein?«
»Ich weiß es nicht, Pavel. Ich weiß es wirklich nicht. Es kann sehr lange dauern. Aber ich werde warten. Versprichst du, dass du da sein wirst, wenn dieser Tag kommt?«
»Das werde ich.«
»Gut.« Buba streifte ihr Hemd über und wickelte ihr Kopftuch um. »Onkel Dimi hat noch gesagt, die Liebenden machen oft einen großen Fehler. Sie glauben, sie sind ganz allein auf der Welt und vergessen in ihrem Glück die anderen. Und wenn sie dann plötzlich feststellen, dass sie nur sich selber haben, ist die Liebe gestorben.«
Ich schwieg. Plötzlich war das Bild wieder da, oben am Mondberg, Angela Barbulescu, die im Wind wehte.
Buba nahm mich in den Arm. »Du denkst an unsere Lehrerin.«
»Ja. Ich habe sie gesehen, wie sie in ihrem dünnen Sonnenblumenkleid am Ast hing. Alle glauben, sie hat sich das Leben genommen. Aber ich bin mir nicht sicher. Sie hatte doch am Tag vor ihrem Verschwinden noch Besuch. Von diesem Kerl mit der Warze, den dein Onkel Salman mit ins Dorf genommen hat, als er den Fernseher ankarrte. Der Mann hat in Angelas Stube gesessen und mit ihr getrunken. Vielleicht war es Mord, und er hat sie aufgehängt. Vielleicht aber auch nicht. Ich verstehe nicht, was dieser Mann von ihr wollte. Immerhin hatte sie angekündigt, ihr Schweigen zu brechen. Über das, was in der Hauptstadt passiert ist. Zu Fritz hatte sie auch gesagt, er solle seinem Vater Heinrich ausrichten, sie habe keine Angst mehr. Ich habe Angelas Tagebuch zu Ende gelesen. Und ich weiß jetzt, was mit ihrem Kind geschehen ist.«
»Ich muss wissen, was du weißt«, sagte Buba. »Vorher kann ich nicht gehen.«
Ich griff unter die Matratze meines Bettes, zog die grüne Kladde hervor und reichte sie Buba. Dann holte ich aus dem Kapital von Karl Marx das Foto hervor, auf dem Angela Barbulescu einst in einer glücklichen Stunde ihren Kussmund spitzte. Buba nahm das Bild.
»Das kenne ich! Genau so habe ich die Lehrerin schon einmal gesehen. Erinnerst du dich? An dem Tag, als wir auf dem Schulhof gewartet haben und sie nicht zum Unterricht kam, da hast du mich spöttisch gefragt, was mein drittes Auge sieht. Da habe ich sie so gesehen, mit blonden Haaren, die zu einem Pferdeschwanz gebunden waren. Aber auf dem Foto fehlt ein Stück. Da fehlt ein Mann. Ist das dieser Stefan gewesen?«
»Ja. Sie hat ihn mit einer Kerze weggebrannt. Es ist das Foto, das Heinrich Hofmann auf einer dieser Feiern in der Hauptstadt geknipst hat.«
»Woher hast du das?«
»Ich war im Sommer einen Abend allein mit ihr in ihrem Haus. Sie hatte mich eingeladen, und ich musste hin.«
»Hast du etwa mit ihr geschlafen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich glaube, sie hat in mir einen Verbündeten gesucht. Aber sie hatte viel getrunken. Sie wollte mich verführen. Aber ich wollte nicht. Nein, ich wollte nicht.«
Buba nahm das grüne Tagebuch. Sie schlug eine
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