Wie die Welt endet: Roman (German Edition)
wanderten wir auf dem Gleiskörper weiter. Die Mountainbikes holperten über den Schotter, doch für uns andere war das Vorwärtskommen hier leichter als durch das nasse Unkraut.
Allmählich klangen die Geräusche vom Highway her ab, und es war nur noch das Prasseln des Regens zu hören. Kiefern wuchsen bis dicht an den Bahndamm heran und bestreuten die Gleise mit langen goldenen Nadeln.
Mein Handy bimmelte. So wunderbar dich zu sehen. Geht’s dir gut? Nach unseren Begegnungen neigten wir beide zu schweren Depressionen.
Ja. Polizei hat uns verscheucht, sind wieder unterwegs.
Komm nach Westen. Zu mir. :)
» Was ist das denn?« Carrie deutete nach vorn. Jemand bewegte sich auf demselben Gleis in unsere Richtung, dabei schwenkte er ein Laken oder etwas Ähnliches. Als die Gestalt deutlicher wurde, begannen die Schienen zu summen.
» Ist ja nicht zu fassen«, sagte Ange.
Auf den Schienen kam uns ein Windsurfer entgegen. Er schwenkte das Segel hin und her, um die wirbelnden Windböen einzufangen. Mal hob sich das Gefährt mit einer Seite von den Schienen, mal mit der anderen, und während es sich näherte, wurde das Klackern der gut geölten Räder immer lauter.
Wir wichen nach beiden Seiten aus, um ihn durchzulassen. Er winkte und zeigte in die Richtung, aus der er gekommen war. » Ungefähr eine Meile«, rief er, bevor ein heftiger Windstoß ihn schnell weiterschob.
» Eine Meile bis wohin?«, fragte ich.
Erst mal machten wir halt, um so viel Wasser aufzufangen, wie wir nur konnten. Es regnete noch zwanzig Minuten, dann gingen wir weiter. Unsere Milchkrüge hatten sich eine Handbreit hoch mit Wasser gefüllt.
Eine Meile weiter kampierte auf einer Schneise, die für eine Stromleitung abgeholzt worden war, eine fremde Sippe. Neben den Gleisen standen vier weitere Schienen-Segelwagen aufgereiht. Die meisten Angehörigen der Sippe lagerten im Schatten, aber ein Paar stand hinter einem Klapptisch, der neben einem der großen Hochspannungsmasten aufgebaut worden war.
Zwei Frauen sprangen auf, um uns lächelnd und winkend zu begrüßen. Eine der beiden sah aus wie Mitte vierzig, war aber vielleicht jünger. Blasse Haut ist zwar schön, solange man jung ist, aber sie bleibt nicht so, schon gar nicht, wenn man in einem Zelt wohnt und sich normalerweise den ganzen Tag ohne Sonnenschutz im Freien aufhält.
Die andere Frau war etwa fünfundzwanzig, groß und gertenschlank, nein, sogar richtig mager. Sie hatte rötliches Haar und keinen nennenswerten Busen, wirkte aber verdammt sexy. Irgendwie sah sie typisch englisch aus. Ich verfolgte, wie sie auf uns zukam: Sie bewegte sich so anmutig, dass ich mich am liebsten hingesetzt und sie den ganzen Tag betrachtet hätte.
» Wollt ihr Gras kaufen?«, fragte die ältere Frau und deutete auf den Klapptisch.
» Nein, wir kommen nur zufällig vorbei«, antwortete Jeannie.
» Wo wollt ihr denn hin?«, fragte die Jüngere.
» Das wissen wir eigentlich noch nicht«, sagte ich. » Wir sind vorhin aus Metter verscheucht worden.« Ich streckte ihr die Hand hin. » Jasper.«
» Ich bin Phoebe. Freut mich, dich kennenzulernen«, sagte sie.
Auch die andere Frau stellte sich vor, aber ihren Namen hatte ich gleich wieder vergessen. Manchmal habe ich ein Gedächtnis wie ein Sieb.
Ein Mann mit rotem Spitzbart und einer Brille mit Drahtgestell kam zu uns herüber. » Habt ihr etwas von dem neuen Virus gehört? So ein Designer-Virus, im Labor hergestellt. Es soll schon rumgehen.«
» Nein. Ist es gefährlich?«
Die Zungenspitze des Mannes schoss hervor und beleckte einen Mundwinkel. » Das wissen wir nicht. Eine andere Sippe hat uns davon erzählt, aber sie haben es auch nur gehört. Angeblich soll es Muskelkrämpfe verursachen«, sagte er.
» Wahnsinn«, sagte ich. » Habt ihr irgendwas Neues aus dem Westen gehört?« Unsere letzte Information war, dass ein Heer mexikanischer Banditen im Süden von Texas eingefallen war.
» Wir haben gehört, dass US -Truppen da runtergeschickt wurden, aber wie es ausging, wissen wir nicht«, mischte Phoebe sich ein.
Wir unterhielten uns eine Weile, und schließlich standen fast alle Mitglieder der beiden Sippen in Grüppchen zusammen und tauschten Nachrichten und Informationen aus. Es war wirklich erstaunlich, wie gut Sippen sich untereinander vertrugen. Sie luden uns ein, unser Lager bei ihnen aufzuschlagen und eine Weile zu bleiben.
» Sieht aus, als wäre sie dein Typ«, sagte Colin, als wir die Zelte von den Fahrrädern abschnallten. » Ein
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