Wie die Welt endet: Roman (German Edition)
Schritte und fasste mich am Ärmel. Wir blieben stehen. » Wir sollten uns hier Gute Nacht sagen, sonst haben wir gleich Publikum.«
Ich nahm sie in die Arme und wir küssten uns– ein schöner, sanfter Kuss. Phoebe küsste gut. Sie roch aus dem Mund, aber ich bestimmt auch, und wahrscheinlich noch schlimmer als sie. Wir gewöhnten uns allmählich an stinkende Körper und Mundgeruch.
» Das hat Spaß gemacht«, sagte sie. » Danke, dass du mich mitgenommen hast.«
» Kann ich dich irgendwie erreichen? Vielleicht können wir noch mal was zusammen unternehmen?«
» Warte mal.« Sie hockte sich auf den Bahndamm und kramte in ihrer Tasche. Dann zog sie einen Stift und einen Zettel heraus und notierte eine Telefonnummer und den Namen Crystal. » Das ist die Nummer einer Freundin. Es dauert vielleicht ein paar Tage, aber ich melde mich immer mal wieder bei ihr. Und dann hinterlasse ich dir dort eine Nachricht.«
Wir hielten uns noch ein wenig an den Händen, lösten die Finger aber, als wir zwischen den beiden Sippen ankamen, und gingen in unser jeweiliges Lager zurück.
» Na, wie war’s?«, fragte Colin, kaum dass ich mich im platt getretenen Gras niedergelassen hatte.
» Sie ist wirklich eine supernette Frau«, antwortete ich. Ich beobachtete Phoebe, die mit ein paar Leuten aus ihrer Sippe zusammenstand und wahrscheinlich auch gerade von unserem Ausflug erzählte. » Mittendrin hat Sophia mir eine SMS geschickt. Ich hatte vergessen, mein Handy auszuschalten.«
» Nicht so gut«, sagte Colin.
Die Musik kam vom anderen Lager, und einige aus der Sippe tanzten. Die Mittvierzigerin, deren Namen ich vergessen hatte, nahm Phoebe am Ellbogen und tanzte mit ihr. Phoebe bewegte sich ein wenig linkisch, schüchtern, vielleicht war sie verlegen, weil ich ihr zuschaute.
» Eigentlich würde sie mich schon interessieren, aber ich will Sophia nicht verlieren.«
» Du hast Sophia doch gar nicht«, sagte Colin. » Sie steigt jeden Abend mit ihrem Ehemann ins Bett. Während du dich mit deiner bewährten rechten Hand ins Zelt legst.«
» Ich bin Linkshänder«, witzelte ich reflexhaft. Das Bild von Sophia, wie sie mit ihrem Mann ins Bett ging, quälte mich. Ich sah, wie sie sich küssten, sah seine Hand auf ihrer bloßen Brust, und obwohl mir bei diesen Bildern war, als würde jemand Zigaretten auf meinen Augen ausdrücken, konnte ich den Film in meinem Kopf nicht abschalten.
» Ich darf mich nicht mehr mit ihr treffen, stimmt’s?« Endlich war es heraus. Ich hatte diese Worte noch nie ausgesprochen, nein, ich hatte mir nicht einmal gestattet, sie zu denken. Aber diese Bilder brachten mich um, es war die reinste Folter.
» Ja, stimmt«, erwiderte Colin. » Wenn sie ihren Mann nicht verlässt, was bleibt dir denn dann? Telefonieren und simsen. Das reicht doch nicht.«
Ich nickte, während meine Augen sich mit Tränen füllten.
» Ich sage ja nicht, dass Sophia ein schlechter Mensch ist«, fuhr Colin fort. » Nein, sie ist offensichtlich ein sehr guter Mensch, und sie tut ihr Bestes. Aber du musst für dich selbst sorgen.« Er stand auf. » Ich sehe dir an, dass du jemanden brauchst, der dich hält und wiegt und dir sagt, dass alles gut wird. Und du willst bestimmt nicht, dass ich dieser Jemand bin, oder?«
Colin ging zu Ange hinüber, hockte sich neben sie und sagte etwas. Ange schaute zu mir herüber und sprang auf. Noch bevor sie bei mir angekommen war, schluchzte ich wie ein Kind.
» Es sind jetzt fast zwei Jahre«, sagte sie leise, als sie mich in den Armen hielt, » aber du willst doch nicht eines Tages feststellen, dass zehn Jahre vergangen sind und du immer noch am Telefon sitzt und wartest. Du bist ein toller Mann, und du hast eine Frau ganz für dich allein verdient, nicht eine, die du teilen musst.«
Aber ich wollte nur Sophia ganz für mich allein haben.
» Wie lange hast du nach der Trennung von Tyler gebraucht, um darüber wegzukommen?«, fragte ich an ihrem Hals, der von meinen Tränen ganz nass war.
» Ich bin nie drüber weggekommen. Der Schmerz hat zwar nachgelassen, aber selbst jetzt überfallen mich diese Gefühle noch manchmal, und dann kommt es mir vor, als hätten wir uns gerade erst getrennt.«
Ich glaube, jeder hat eine Sophia. Als Ange mir zum ersten Mal von Tyler erzählte, in den sie sich mit sechzehn verliebt hatte, hatte sie gesagt: » Versteh mich nicht falsch, ich liebe Cortez, aber mir steckt Tyler für immer in den Knochen.«
Wenn man sich verliebt, richtig verliebt, dann ist der
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