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Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Titel: Wie die Welt endet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will McIntosh
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Hand und erfreute mich am Farbkontrast unserer verschränkten Finger, ihrer braunen und meiner weißen. » Wie war die Arbeit?«
    » Absolut ätzend.« Das sagte Sophia immer. Aber sie wusste auch, dass sie sich verdammt glücklich schätzen konnte, überhaupt Arbeit zu haben. Für Buchhalterinnen gab es meistens noch Jobs, obwohl die Arbeitslosenquote bei über vierzig Prozent lag– die Millionen von Flüchtlingen gar nicht berücksichtigt, von denen täglich neue an den Stränden landeten und über die Grenzzäune sprangen. Für Diplomsoziologen dagegen gab es praktisch keine freien Stellen. Ich hätte auf meine Eltern hören sollen. Allerdings hatten sie, wenn ich mich richtig erinnere, gemeint, bei der Wahl meines Hauptfaches solle ich meinem Herzen folgen. Inzwischen gab es achtzig Millionen Künstler, Dokumentarfilmer, Profikartenspieler, Floristinnen und Soziologiekollegen und -kolleginnen, die es bitter bereuten, ihrem Herzen gefolgt zu sein.
    Sophia bog in den Parkplatz vom Wal-Mart ein und parkte in der hintersten Ecke. Wegen der Klimaanlage ließ sie den Motor laufen.
    » Ich habe euch was mitgebracht«, sagte sie. Ich liebte ihren schönen karibischen Akzent. Sie drehte sich um, zog eine Plastiktragetasche vom Rücksitz und legte sie mir wie nebenbei auf den Schoß. Sie bemühte sich immer sehr, diese Geschenke ganz unbedeutend erscheinen zu lassen, um das Gleichgewicht in unserer Beziehung nicht zu zerstören. Ich öffnete die Plastiktüte und schaute hinein: Seife, Insektenspray, Vitamine, Aspirin, Proteinriegel und ein Zwanzig-Dollar-Schein. Wenn wir uns trafen, brachte sie jedes Mal etwas für die Sippe mit. Sie war eine Heilige, verdammt noch mal.
    Ein kleines glänzendes Päckchen fiel mir ins Auge. Als ich es aus der Tragetasche nahm, musste ich lächeln.
    » Baseballkarten?« Früher hatte ich mir jedes Frühjahr welche gekauft– ein Ritual zu Beginn der Baseball-Saison, das ich aus meiner Kindheit beibehalten hatte. Als Sophia und ich uns kennenlernten, damals, als ich noch Arbeit hatte und die Welt noch in Ordnung war, hatte ich einmal in einem Coffeeshop ein Päckchen gekauft und es gleich am Tisch geöffnet. Beim Durchblättern der Karten hatte ich ihr die Spieler vorgestellt. In ihrer Heimat, auf Dominica, war Sophia Cricket-Fan gewesen, daher hatte ich es als unbedingt nötig erachtet, sie in das großartigste Ballspiel des ganzen Universums einzuführen.
    Sie lachte. » Lebenswichtig.«
    Ich strich mit dem Finger über die Versiegelungsnaht der Folie, hielt sie an meine Nase und schnupperte. Der frische Minzeduft der Baseballkarten rief liebe Erinnerungen wach, und ich schloss die Augen und seufzte. Dann zog ich die Karten aus dem Päckchen. Sie fühlten sich in meinen schmutzigen Händen so sauber und glatt an. » Chris Carroll«, sagte ich, während ich die erste Karte betrachtete. Ich drehte sie um. » Wie war er in der letzten Saison? Ich habe nicht viele Spiele sehen können.«
    Und plötzlich brach ich in Tränen aus. Sophia schlang die Arme um mich und weinte mit mir. » Ich wünschte«, sagte sie und brach dann mitten im Satz ab. Ich wusste, was sie sich wünschte. So blieben wir sitzen, aneinandergekuschelt, die nassen Gesichter am Hals des anderen vergraben.
    » Ich habe nur bis um zwei Zeit, dann muss ich… nach Hause«, erklärte sie nach einer Weile. Das bedeutete, dass dann Jean Paul nach Hause kam, und obwohl sie ihren Mann nur indirekt erwähnte, versetzte mir die vertraute Mischung aus Eifersucht, Gekränktheit und Verzweiflung einen Stich in den Magen.
    Sophia belog ihren Mann nicht. Er wusste um uns. Tief verletzt und im Stillen zornig, duldete er unsere Beziehung, denn er wollte nicht, dass Sophia ihn verließ. Mit anderen Worten: Sophia hatte in dieser Ehe alle Macht, ob ihr das nun recht war oder nicht.
    Meiner Ansicht nach gibt es vier Typen von Beziehungen. Einmal kann man selbst wahnsinnig verliebt sein, während die Frau eher lauwarme Gefühle hegt. In diesem Fall besitzt sie die Macht, und man strampelt sich ab, um ihre Liebe zu gewinnen, man möchte geistreich und faszinierend erscheinen und bemüht sich dauernd um ihre Zustimmung. Im Laufe der Zeit wird man dabei immer jämmerlicher. In dieser Lage befand sich Jean Paul.
    Dann gibt es Beziehungen, wo die Partnerin unsterblich verliebt ist, während man selbst nur eine warme, diffuse Zuneigung aufbringen kann. Dann schleppt man Schuldgefühle mit sich herum, kommt sich vor wie ein Lügner. Man bemüht sich

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