Wie du Ihr
Stoppuhr immer noch lief.
»Hallo, ihr beiden. Hier, bitte schön.« Er reichte Mr Camden sein Klemmbrett mit dem Blatt, auf dem die Stationen kontrolliert wurden.
»Du musst noch zu einer Station, Jonathan«, ermahnte ihn Mr Camden pflichtbewusst.
»Ich weiß. Aber ich glaube, ich hör hier auf.« Jonathan zuckte mit den Achseln und lächelte.
»Was soll das heißen? ›Ich hör hier auf.‹ Dir fehlt nur noch ein Kontrollpunkt. Du bist so gut in der Zeit, dass du noch eine Eins schaffen kannst! Worauf wartest du?«
»Welche Note bekomme ich denn, wenn ich jetzt aufhöre?«, fragte Jonathan mit Unschuldsmiene. Mr Camden starrte ihn an, als könnte er die Frage nicht einmal ansatzweise verstehen. »Du hast noch drei Minuten für die letzte Station. Dann bekommst du die beste Note. Also los. Beeil dich! Die Zeit läuft.«
»Wenn ich die letzte Station nicht schaffe, bekomme ich immer noch eine Drei, stimmt's?«, fragte Jonathan erneut.
»Mensch, Jonathan! Du kannst die Station von hier aus sehen! Lauf jetzt dahin oder du bekommst überhaupt keine Note.« Und schon saß er in der Falle. Bei Jonathan sah man die Gefahr nicht einmal kommen.
»Aber das geht nicht! Ich werde mich beschweren. Mit einer Drei kann ich gut leben. Drei ist schließlich immer noch befriedigend.« Er tippte auf das Klemmbrett und schlenderte davon, während Mr Camden dunkelrot anlief. Er hat Jonathan das niemals verziehen. Von diesem Tag an pickte er Jonathan immer heraus und versuchte sogar, ihn aus dem Kurs zu werfen. Aber genau das bereitete Jonathan erst recht Vergnügen. So tickt er nun einmal. Bestimmt nicht der Typ von Mensch, mit dem ich gerne eine lange Wandertour machen würde. Während der Busfahrt habe ich ihn genau beobachtet und mich gefragt, wie lange es dauern würde, bis er meine Abwehrmechanismen durchschaut hatte.
Dann war da Rebecca, die in unserer Gruppe eigentlich nichts zu suchen hatte. Eine Woche zuvor war sie noch in der Elitegruppe gewesen, die vorhatte, die komplette Tour in nur vier Tagen durchzuziehen. Sie war fit und sehr beliebt. Ihr Vater war Sportlehrer an der Uni. Aber selbst Leute wie Rebecca machen Fehler. Eigentlich war sie mit einem Typen namens Shannon Robertson zusammen. Er war zwar nicht in unserer Klasse, aber mit einigen Schülern ihrer Gruppe eng befreundet. Dummerweise hatte jemand gesehen, wie sie am Wochenende mit einem anderen Typen von einer Party verschwand. Shannons Freunde nahmen ihr das ziemlich übel und warfen sie kurzerhand aus der Gruppe. Wir waren ihre Strafe. Wahrscheinlich ist noch mehr passiert, aber meistens bekomme ich solche Geschichten nur halb mit. Ich weiß nur, dass Christina Meade, bei der ich auf der Exkursion einen Annäherungsversuch machen wollte, befördert wurde. Und dass Rebecca, die mir ein bisschen Angst machte, ihren Platz in unserer Gruppe übernahm. Am Anfang der Exkursion war sie ständig hin- und hergerissen. Einerseits hätte sie am liebsten die Führung übernommen und uns gezeigt, was wir alles verkehrt machten. Andererseits war sie immer noch beleidigt und fest entschlossen, ihr Unglück stumm zu ertragen.
Lisa ist schwieriger zu beschreiben. Über sie wusste ich am wenigsten. Ich glaube nicht, dass sie irgendjemanden in der Klasse besonders gut kannte. Sie war erst vor Kurzem von einer reinen Mädchenschule zu uns gewechselt und hatte noch nicht allzu viele Freunde gefunden. Man konnte nur schwer einschätzen, ob ihre Zurückhaltung davon kam, dass sie neu war, oder ob sie grundsätzlich ein eher stiller Mensch war. Selbst nach zehn Wochen machten die Leute immer noch eine kleine Pause, ehe sie ihren Namen sagten. Als müssten sie kurz überlegen, wie sie hieß.
Und dann war da natürlich noch ich. Ich frage mich, was wohl die anderen über Marko Turner sagen würden. Wahrscheinlich auch, dass ich eher ruhig bin. Und ein bisschen weich. Wenn der Arzt tot ist, werden sie ihre Meinung ändern.
5
18. April
Gestern konnte ich nichts aufschreiben. Es war zu gefährlich, hierherzukommen.
Ich habe den Arzt wiedergesehen. Als ich gestern Abend aufwachte, stand er direkt neben meinem Bett und kontrollierte meinen Puls. Am liebsten hätte ich laut losgeschrien und meine Hände um seinen Hals gelegt. Irgendwie habe ich es geschafft, mich zu beherrschen, und meine Augen dazu gebracht, sich nach kurzem flackerndem Blick wieder zu schließen. Und während ich langsam weiteratmete, versuchte ich verzweifelt, meinen rasenden Herzschlag zu beruhigen. Ich hörte,
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