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Wie Du Mir

Wie Du Mir

Titel: Wie Du Mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Dunne
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schadet dir nicht, nimm schon … nicht zuknöpfen! Das lässt man offen, sonst siehste so steif aus.“
    „Das tu ich sowieso, sobald diese Sandra dort auftaucht.“ Dally taxierte noch einmal sein Spiegelbild. Ein verkleideter Affe.
    Seán lachte amüsierter, als ihm lieb war.
    „Dann leg lieber mal Handbetrieb ein.“
    „Ach, für jemanden wie mich ist die zu nobel?“
    Seáns Lächeln verschwand von seinen Lippen. Auf seiner Zunge brannte schon ein Kommentar.
    „Komm schon Seánie, tu dir keinen Zwang an. Sag, was du sagen willst.“ Ein rhetorisches Angebot. Dally wollte Seáns Meinung gar nicht wissen. Der Blick, den er ihm von seinem Platz neben dem Kleiderschrank aus zuwarf, ließ keine Fragen offen. Anklage, Schuldspruch und Verurteilung, alles in einem. Der Blick von damals im Krankenhaus.
    „Na ihr beiden?“, Barbara schob sich durch die Schlafzimmertür. „Hey Dally, schnieker Aufzug“, sagte sie und zwinkerte ihm zu.
    Er zeigte auf ihr Spin Doctors-T-Shirt.
    „Was ist mit dir, warum kommst du nicht mit?“
    „Weißt du“, sie zog sich ihren Pferdeschwanz zurecht, „ich gehöre nicht zu Colm O’Riordans Aposteln, und deshalb werde ich auch nicht eingeladen.“
    Seán verdrehte die Augen.
    „Heute Abend wirst du sehen, was ich meine …“, prophezeite Barbara in Dallys Richtung und verließ den Raum.
     
    Colm O’Riordans Haus wirkte ebenso blank poliert wie die Floskeln, die er Seán und Dally bei ihrer Ankunft entgegenplärrte. Die Wände waren einheitlich weiß getüncht, vereinzelt unterbrachen großflächige, in Grau- und Schwarztönen gehaltene Gemälde die Monotonie. Schwarze Ledergarnitur, heller Holzboden, hellgrauer Fliesenboden. Plötzlich ergab es wieder Sinn, dass Colm so begeistert auf seinen Vorschlag reagiert hatte, jedes Zimmer in einer anderen Pastellfarbe zu streichen. Andererseits nahmen sich die farbenfroh gekleideten Partygäste in dem kalten Ambiente sehr schön aus. Ein schnatternder Haufen von Leuten, die Lucky als kapitalistische Ignoranten bezeichnet hätte, bediente sich an Bergen von Lachsbrötchen und trank flaschenweise Wein, als wäre Arthur Guinness nie geboren worden.
    Während Dally langsam vom Wohnzimmer in die Küche, von dort auf die Terrasse und wieder zurück schlenderte und abwägte, wie viele weitere Lachsbrötchen er bewältigen konnte, ohne es zu bereuen, schnappte er immer wieder Gesprächsfetzen auf.
    Es ging nicht um Politik, schon gar nicht um die nordirische, sondern um den wirtschaftlichen Aufschwung.
    „Hör auf meine Worte“, wies Colm einen seiner beschlipsten Zuhörer zurecht, der den Boom als Mediengerede abtat, „in zehn Jahren kann sich in Clontarf niemand mehr was leisten, und dann kommt mein Moment. Wahrlich, ich sage euch: Kaufet jetzt oder bereuet!“ Dabei hielt er seine Hand in die Höhe – Zeige- und Mittelfinger ausgestreckt wie eine Jesus-Ikone, was seine Zuhörer zu Lachstürmen hinriss.
    Unter ihnen auch Seán, der gleich nach ihrer Ankunft mitten in den Strudel von Begrüßungen, Vorstellungen und seichter Konversation gerissen worden war. Dally hatte sein Bestes getan, zu lächeln, sich als „Ja, Seáns Bruder“ vorzustellen, Kommentare zu ihrer frappierenden Ähnlichkeit über sich ergehen zu lassen und bei der Frage, wann er denn Seáns Beispiel folgen und dem Norden den Rücken kehren wolle, unbestimmt die Schultern zu heben. Er hatte Seáns Angstschweiß förmlich riechen können. Eine einzige republikanische Aussage, und das Bild des sozialen Aufsteigers, das er seinen Freunden so unbedingt vermitteln wollte, war zum Teufel. So hielten sie zumindest für heute Abend ihre Schicksale gegenseitig in der Hand.
    Der Gedanke gefiel Dally, aber nur halb so gut wie die Aussicht auf Sandra Baldauf, die er von seinem Platz etwas abseits des Kreises von Colms Zuhörern hatte. Sie war neben Dally die Einzige, die auf Colms Witz nur höflich die Lippen verzogen hatte. In ihrem sattgrünen Hosenanzug und einem Top aus orangefarbener Seide sah sie aus wie eine Nachrichtensprecherin. Nur ihre Haare waren jetzt nicht mehr glatt, sondern sanft gewellt, und ihre Perlenkette hatte sie durch eine auffällige Goldkette ersetzt, deren Schließe eine Hand war. Seit geschlagenen zwei Stunden wurde sie von Colm O’Riordan bewacht und seinem Freundeskreis präsentiert.
    Dally waren in dem Reigen genau 30 Sekunden zugeteilt worden. Seitdem versuchte er, sich so unauffällig wie möglich im Fahrwasser der beiden zu bewegen.
    So wie Dally

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