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Wie Du Mir

Wie Du Mir

Titel: Wie Du Mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Dunne
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würde er was auskundschaften.“
    „Meinst du?“
    „Mir ist er unheimlich. Aber was soll ich machen“, die Anne-Marie-Stimme seufzte, „rausschmeißen kann ich ihn nicht, und aus irgendeinem Grund verspricht sich Colm von diesem Proleten Seán Vorteile … gibt ihm Nachlässe auf Anzeigen und so.“
    „Ich finde Seán ganz spaßig. Will eben raus aus dem Belfaster Drecksloch.“
    Ein prustendes Lachen von Anne-Marie.
    „Wahrscheinlich. Weiß eh niemand, was der Kerl dort getrieben hat. Man munkelt ja, dass er ziemlich viele republikanische Kontakte hat.“
    „Dort oben sind doch alle Republikaner oder?“
    „Ich meine solche Republikaner, Schätzchen.“
    „Ich bitte dich, es gibt kaum einen, dem ich das weniger zutrauen würde …“
    Anne-Marie schien beleidigt vom ungläubigen Tonfall ihrer Freundin.
    „Weißt du’s? Nie erzählt er was von sich. Von diesem angeblichen Bruder haben wir erst gehört, als Colm nachgefragt hat, ob Seán nicht Kontakte zu billigen Handwerkern habe. Wer weiß, vielleicht ist das nicht mal sein Bruder, sondern ein Terrorist auf der Suche nach einem Alibi.“
    Das helle Auflachen von Anne-Maries Gesprächspartnerin verlief parallel mit einem mehrstimmigen Lachkonzert aus dem Wohnzimmer.
    „Jetzt mach mal einen Punkt. Der fühlt sich eben nicht wohl, weil er aus einer ganz anderen Gesellschaftsschicht kommt.“
    „Seán doch genauso. Sieh ihn dir an: keinen Stil. Zu viel Parfum, ständig das Hemd zu weit offen. Jemand sollte ihm verraten, dass das Saturday Night Fever vorbei ist.“
    Eines musste man dieser Anne-Marie lassen. Seán hatte manchmal etwas vom jungen John Travolta. Trotzdem hatte sie nicht das Recht, so über Seán und ihn zu sprechen. Nicht, solange Dally beinahe zum Selbstkostenpreis eine neue Einnahmequelle für sie und ihren auf Sandra geilen Ehemann erschloss. Was war er – ein Idiot?
    Er biss sich auf die Zunge, bis er auf Blut stieß. Kein Aufstand, nicht jetzt. Er hatte ein neues Leben begonnen, und in dem ließ er sich nicht mehr so schnell provozieren, auch nicht von diesem beschissenen Geld-Adel, für den sich Seán anscheinend prostituierte.
    Er drehte sich um und kehrte zurück ins Wohnzimmer. Sein Glas leerte er noch im Gehen, füllte es auf und nahm es gemeinsam mit der halb leeren Flasche mit nach draußen vor den Eingang. Niemand beachtete ihn.
    Draußen hatte sich der Nieselregen des Tages verzogen, und die Sterne blitzten wie Edelstahl. Plötzlich dachte er wieder an Ziel Nummer fünf. Sein Gesicht angesichts der auf ihn gerichteten Waffe. Wie ein Déjà-vu tauchte es immer wieder vor ihm auf, beim Arbeiten, Duschen, Essen, Einschlafen. Er hatte es so satt.
    Hinter ihm öffnete sich die Tür, klapperten Schritte, blieben stehen.
    „Du siehst aus, als könntest du eine Zigarette vertragen.“
    Sandras Moderatorinnenstimme erwartete keine Gegenwehr. Sie streckte ihm eine Packung entgegen. ‚John Player Special‘, wie zeitgeistig.
    Kein Alkohol, kein Nikotin, sonst sehen wir uns schon sehr bald wieder, hatte der Arzt bei Dallys Entlassung gemeint.
    „Ich sollte die nicht rauchen“, erklärte er, während Sandra ihm kichernd Feuer gab. Beim ersten Zug konnte Dally nur knapp verhindern, wie ein Teenager zu husten. Grässlich. Was war mit diesen Zigaretten los?
    Sandra beobachtete ihn amüsiert von der Seite. Die kleine Laterne über dem Eingang leuchtete ihr ins Gesicht. Ihre Haut war makellos und milchig, nur ihre Wangen zeigten einen Hauch von Röte.
    „Du könntest Werbung für ’ne irische Fluglinie machen, hat dir das schon mal jemand gesagt?“
    Sie lachte.
    „Ja. Ich hab aber nur eine halbirische Urgroßmutter, und die hatte keine roten Haare. Falls das deine nächste Frage ist.“
    Dally nahm zwei Schlucke aus dem übervollen Weinglas, dann ließ seine Verlegenheit zum Glück nach.
    „Das haste sicher schon von jedem Idioten dreimal gehört, stimmt’s?“
    Sie antwortete mit einem weiteren ungehobelten Lachen.
    „Aber noch nie so trocken wie gerade eben.“ Sie packte Dally am Oberarm. „Im Ernst. Es war ein nettes Kompliment, danke.“
    Ihr halbsüßes Lächeln ließ ihn weiter erröten, und er wandte sich ab.
    „Keine Ursache.“
    Eine Weile rauchten sie stumm nebeneinander, den Blick auf die parkenden Autos gerichtet. Die meisten davon deutsche Marken. Keine, die man anzündete und auf Seitenstraßen zurückließ. Erster Tau und Reste des Regens ließen ihre Dächer glänzen wie Pferderücken.
    „Sag mal …“, gab

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