Wie ein einziger Tag
Teppich, schien unveränderlich zu sein. Sie entsann sich, wie sie an einem heißen Julitag unter dem Baum gesessen hatte an der Seite von jemandem, der sie mit solchem Verlangen angesehen hatte, daß nichts sonst Bedeutung hatte. Und in jenem Augenblick hatte sie sich zum ersten Mal verliebt.
Er war zwei Jahre älter als sie, und als sie nun die Straße der Erinnerungen entlangfuhr, stieg sein Bild wieder deutlich vor ihr auf. Er hatte stets älter gewirkt, als er war, das Gesicht eine Spur verwittert, fast wie das eines Farmers, der nach Stunden der Feldarbeit nach Hause kommt. Er hatte schwielige Hände und breite Schultern, die von harter Körperarbeit zeugten, und erste feine Falten zeigten sich um seine dunklen Augen, die jeden ihrer Gedanken zu lesen schienen.
Er war groß und kräftig mit hellbraunem Haar, attraktiv auf seine Art, doch was sich ihr am tiefsten eingeprägt hatte, war seine Stimme. Er hatte ihr an jenem Tag, als sie unter dem Baum im Gras lagen, vorgelesen, mit einer Stimme, sanft und fließend, fast wie Musik, und sie schien in der Luft zu schweben, während er ihr vorlas. Sie erinnerte sich, wie sie mit geschlossenen Augen aufmerksam gelauscht und jedes Wort tief in sich aufgenommen hatte:
Es schmeichelt mich in Nebel und Dämmerung hinein.
Ich scheide wie Luß, und ich schüttle meine Locken gegen die davonlaufende Sonne.
Er blätterte in alten Büchern mit Eselsohren, Büchern, die er schon hundertmal gelesen hatte. Er las eine Weile daraus vor, und dann unterhielten sie sich. Sie erzählte ihm, was sie sich vom Leben erhoffte - all ihre Träume für die Zukunft -, und er hörte aufmerksam zu und versprach, dafür zu sorgen, daß alles wahr würde. Und die Art, wie er es sagte, verscheuchte all ihre Zweifel, und sie wußte, wieviel er ihr bedeutete. Manchmal, wenn sie ihn darum bat, erzählte er von sich oder erklärte, warum er dieses oder jenes Gedicht ausgewählt hatte und was er darüber dachte, und manchmal sah er sie mit seinen ernsten Augen lange stumm an.
Sie beobachteten den Sonnenuntergang und machten Picknick unter dem Sternenzelt. Es wurde spät, und sie wußte, wie ärgerlich ihre Eltern gewesen wären, wenn sie gewußt hätten, wo sie war und mit wem. Doch in dem Augenblick war ihr das völlig gleichgültig. Sie selbst konnte nur denken, wie wunderschön dieser Tag gewesen war, wie großartig Noah war, und als sie kurz darauf zu ihrem Haus aufbrachen, nahm er ihre Hand in die seine, und sie spürte den ganzen Weg ihre Wärme.
Eine letzte Biegung, dann erblickte sie in der Feme das Haus. Es war kaum wiederzuerkennen, so ganz anders, als sie es in Erinnerung hatte. Sie nahm den Fuß vom Gas, als sie in die lange, von Bäumen gesäumte Einfahrt bog, die zu dem Leitstern führte, der sie von Raleigh hergelockt hatte.
Sie fuhr im Schrittempo, den Blick auf das Haus geheftet, und ihr Herz setzte einen Schlag aus, als sie ihn auf der Veranda entdeckte. Er war salopp gekleidet, und aus der Feme sah er genauso aus wie damals. Als die Sonne genau hinter ihm stand, schien er für einen Augenblick in der Szenerie hinter ihm zu verschwinden.
Ihr Wagen rollte langsam weiter und blieb unter einer Eiche vor dem Haus stehen. Sie drehte den Zündschlüssel, ohne den Blick von ihm zu wenden, und der Motor verstummte.
Er stieg die Verandastufen herab, kam leichten Schrittes auf sie zu, hielt, als sie dem Wagen entstieg, plötzlich inne. Eine lange Weile standen sie wie angewurzelt da und starrten sich nur an.
Allison Nelson, neunundzwanzig und verlobt, eine der oberen Zehntausend, auf der Suche nach Antworten, die ihr so wichtig waren, und Noah Calhoun, der Dichter, einunddreißig, von dem Gespenst heimgesucht, das sein Leben beherrschte.
Wiedersehen
Keiner von beiden rührte sich, als sie sich gegenüberstanden.
Er hatte noch keinen Ton herausgebracht, seine Gesichtsmuskeln schienen wie erstarrt, und eine Sekunde lang dachte sie, er würde sie nicht erkennen. Sie machte sich plötzlich Vorwürfe, ihn so, ohne Vorwarnung, überrumpelt zu haben, denn das erschwerte alles noch. Sie hatte es sich leichter vorgestellt, hatte geglaubt, ihr würden die richtigen Worte einfallen. Doch jetzt schien ihr alles, was ihr in den Sinn kam, unpassend, albern.
Erinnerungen an ihren gemeinsamen Sommer stellten sich ein, und während sie ihn ansah, merkte sie, wie wenig er sich seither verändert hatte. Er schaute gut aus, fand sie.
Unter seinem locker in die verblichenen Jeans gesteckten Hemd
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