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Wie ein Flügelschlag

Wie ein Flügelschlag

Titel: Wie ein Flügelschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Wilke
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klatschten auf nackte
Haut. Klatsch, klatsch. Eine brüllte. Bea vermutlich. Jemand
anders lachte. Am liebsten wäre ich im Wasser geblieben, weitergeschwommen.
Im Wasser konnte ich atmen, draußen war
die Luft so dünn. Aber während der Mittagspause war die Halle
geschlossen. Keine Ahnung, warum. Hunger hatte ich sowieso
keinen.
    Endlich wurde es ruhiger. Die anderen waren schon in der
Umkleide, als ich duschen ging.
    »Ach, da bist du ja.« Jemand kam noch mal zurück. Es war
Melanie. »Ich habe mich schon gefragt, wo du bleibst.«
    Ich tat so, als ob ich sie nicht gehört hätte. Hielt den Kopf weiter
unter den heißen Wasserstrahl.
    »Mach dir nichts draus«, sagte sie, bevor sie ging, »die meinen
es nicht so.«
    Ich antwortete nicht. Was hätte ich auch sagen sollen?
    Klar meinten die das so. Trotzdem versuchte ich, mir nichts
daraus zu machen. Sollten sie reden. Ich wusste, dass ich ohne
das Stipendium nicht hier wäre. Aber ich war hier. Ich war nicht
hier, weil ich Geld hatte. Ich war hier, weil ich schwimmen
konnte. Und das allein zählte. Für mich jedenfalls.
    Ich kann nichts – außer schlafen, essen und schwimmen. Das soll
Michael Phelps einmal gesagt haben. Über meinem Schreibtisch
hängt ein Foto von dem amerikanischen Superschwimmer, den
Spruch habe ich druntergeschrieben.
    Ich trocknete mich ab, ging in die Umkleide und öffnete
meinen Spind. Verdammte Scheiße. Meine Sachen waren weg.
Scheiße, Scheiße, Scheiße. Sicherheitshalber schaute ich in die
anderen Fächer. Obwohl ich wusste, dass ich da nichts finden
würde. Kroch zwischen den Bänken rum. Kleine Steinchen
bohrten sich in meine nackten Knie. Nichts. Meine Sachen
waren weg. Und draußen fünf Grad minus.
    Barfuß, mit meinem nassen Handtuch um den Körper,
machte ich mich auf den Weg von der Halle zum Wohntrakt.
Einmal quer über den Hof. Ein paar Jungs grinsten. In der kahlen
Linde flatterten Wäschestücke. Meine Sachen.
    Als ich mir endlich was Frisches angezogen hatte und in die
Mensa kam, waren die anderen schon fast fertig. Ich nahm mir
ein Tablett und suchte mir einen freien Tisch. Es machte mir
nichts aus, allein zu essen. Aber es machte mir etwas aus, wenn
sie mir dabei zusahen.
    Jemand zog einen Stuhl zurück und setzte sich zu mir. Melanie.
»Tut mir leid wegen vorhin«, sagte sie. »Aber ich konnte
nichts machen. Die anderen haben deine Sachen einfach geschnappt
und sind rausgerannt.«
    »Schon gut.«
    Klar konnte sie nichts machen. Was sollte Melanie auch machen? Melanie, die Queen. Die Vorzeigeathletin. Sie liebten sie.
Sie vergötterten sie. Sie wollten nicht, dass sie sich mit mir abgab.
Aber das war Mel egal.
So ein Blödsinn
, sagte sie immer. Du gehörst
doch zu uns. Sie kapierte nicht, dass so eine wie ich nie dazugehörte.
    Ich hatte Melanie gleich am ersten Schultag nach den Sommerferien
kennengelernt. Ich stand damals ziemlich verloren
auf dem Schulhof und versuchte, mich zu orientieren. Wo die
Schwimmhalle war, war klar, auch die Sporthalle war nicht zu
übersehen. Den Wohntrakt und das Schulgebäude konnte ich
am Anfang aber kaum auseinanderhalten. Außerdem hat die
Schule zwei Eingänge, von denen der eine zu den Klassenräumen
und der andere in den naturwissenschaftlichen Trakt führt.
Ich hatte in der ersten Stunde Chemie, so stand es zumindest auf
meinem Stundenplan, aber ich hatte keinen blassen Schimmer,
wohin genau ich gehen musste.
    Die Schüler rannten an mir vorbei, und ich überlegte gerade,
wen ich ansprechen und um Hilfe bitten könnte, da betrat Melanie
den Schulhof. Sie kam nicht aus der Mensa wie die anderen,
sondern sie war einem schwarzen Auto entstiegen, das genau
vor dem Schulhof gehalten hatte. Dass Melanie eine Externe
war und jeden Tag zur Schule gebracht wurde, wusste ich damals
noch nicht. Dass sie etwas Besonderes war, sah ich dagegen
auf den ersten Blick.
    Sie trug eine weiße Jeans und darüber eine Bluse im Shabby-
Look. Ihre schulterlangen Locken hatte sie offen und ihre hellen
Haare glänzten in der Sonne wie Gold. Ihre Augen verbarg sie
hinter einer schwarzen Sonnenbrille, die sie in dem Moment, in
dem sie den Schulhof betrat, langsam abnahm. Sofort scharten
sich einige Mädchen um sie, und ich konnte nicht damit aufhören,
sie anzustarren.
    Was macht so eine an einem Internat für Leistungssportler?,
fragte ich mich. Ich traute ihr bestenfalls einen Platz in einer
Cheerleadergruppe zu.
    Melanie musste bemerkt haben, wie ich sie anstarrte. Jedenfalls
ließ sie ihre Groupies

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